Lothar Späth und der Spendensumpf

Baden-Württembergs Ministerpräsident wurde im Merkle-Prozeß nicht vereidigt - wegen des Verdachts der Tatbeteiligung an Geldwaschungen im Zusammenhang mit Parteispenden / Gedächtnislücken beim Zeugen  ■  Aus Stuttgart Erwin Single

Seinen Termin vor dem Stuttgarter Landgericht in Sachen Parteispenden hatte sich der Ministerpräsident wohl anders vorgestellt. Vor Wochen hatte Lothar Späth noch verlangt, zu den „alten Kamellen“ selbst gehört zu werden, damit er alles sagen könne, war er wisse. Vor dem hohen Gericht, vor dem sich der ehemalige Bosch-Chef Hans Merkle wg. Steuerbetrug mit verdeckten Zuwendungen in die Parteikassen verantworten muß, war der Zeuge Späth sichtlich kleinlaut geworden: Zur Aufklärung der dunklen Finanzierungskanäle der Südwest-CDU konnte er, wie schon sein Amtsvorgänger Filbinger, wenig erhellendes beitragen. Wie bei Filbinger verzichtete das Gericht auf eine Vereidigung Späths, um ihn von einem eventuellen Meineid zu schützen.

Späth bestritt vor Gericht eine Mitwisserschaft für die Pateienfinanzierung über Spendenwaschanlagen für die 70er Jahre, obwohl er als CDU-Fraktiosnvorsitzender regelmäßig zu Präsidiumssitzungen hinzugezogen wurde und nach 1977 als CDU -Vize formell im Vorstand saß. Er habe damals zwar gewußt, daß Zahlungen an die CDU geflossen sind, hielt diese „Selbstverständlichkeit“ allerdings für „normal und legal“. Erst als neugewählter Landesvorsitzender will sich Späth seit 1979 intensiver mit der Finanzierung seines CDU -Verbandes befaßt haben. Nach der Landtagswahl 1980 bemerkte „Cleverle“ Späth dann, daß die Geldquellen nicht mehr wie früher sprudelten und sich 4,5 Mio. DM Schulden angehäuft hatten. Von seinem Schatzmeister Wolfgang Fahr habe Späth damals von der 25-Prozent-Grenze der Aufwendungen sogenannter „Berufsverbände“ an die Parteien erfahren. Das im Musterländle gängige und eindeutig rechtswidrige „Kaskadenprinzip“, das raffgierige Parteistrategen zur Durchleitung der Spenden von einem Tarnverband zum nächsten ausgesonnen hatten, will Späth nach eigenen Angaben damals abgestellt haben. Mit dem schwäbischen Finanzierungspatent, in streng vertraulichen Parteidossiers schlicht „2. Weg“ getauft, wurden Spendengelder an die „Förder-Gesellschaft“ über den CDU-nahen „Wirschafts-Verband“ in die Parteikasse geschoben, um die Obergrenze von 25 Prozent zu umgehen. Der alte CDU-Kassier Hubertus Neuhaus ging mit diesem Modell bei Industriellen hausieren.

Späth, der nach eigener Angabe „sicher überall um Spenden gebeten hat“, traf sich nach der Landtagswahl 1980 mit Vertretern der Wirtschaft im Gästehaus Scheufelen. Damals habe Merkle beschworen, die Partei selbst dann nicht im Stich zu lassen, wenn die Zuwendungen nicht steuerlich abziehbar wären. Merkle, dem mehr Treffen als den von der Vergeßlichkeit gesegneten Politikern im Gedächnis blieben, erkannte eine „Differenz“ in der Erinnerung zum Ministerpräsidenten: Er habe lediglich darauf hingewiesen, seine „staatsbürgerliche Pflicht“ weiterhin zu erfüllen und nicht etwa auf einen „Stop des bisherigen Verfahrens“ hinzuarbeiten. Merkle beantwortete seine an Späth gerichtete Frage, ob sie in jener Sitzung von steuerechtlichen Problemen unterrichtet wurden, selbst: „Wir sind nicht gewarnt worden.“ Daß bei jenem Gespräch die CDU und Späth bei der Spendenpraxis nicht „auf die Bremse“ getreten war, wertete das Gericht als „objektiven Impuls“. Merkles Wahlspruch: Politik nicht allein den Politikern überlassen.