„Wie Tiere im Käfig“

■ Bremer Oberverwaltungsgericht urteilt: Filmen, Knipsen und „einschließend Begleiten“ bei Demos grundgesetzrechtswidrig

Bremen (taz) - Die Polizei darf bei Demonstrationen nicht mehr filmen, knipsen und „begleiten“, wie sie gerne will. Die Video- und Fotoaufnahmen der Bremer Polizei während einer Demonstration „gegen Bombenzüge“ im Juli 1985 waren rechtswidrig. Und: Sogar die „offene“, also noch durchlässige, beidseitige „Begleitung“ den Zuges durch Polizeibeamte verletzte unzulässig das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Mit diesem am Mittwoch veröffentlichten Urteil (Az.: OVG 1 BA 1889) bestätigte das Bremer Oberverwaltungsgericht jetzt den Spruch der 1. Instanz.

Mit langen Schlagstöcken, Helmen, Schildern und Kampfanzügen martialisch bewehrt, hatte im Juli 1985 ein großes Polizeiaufgebot - ein Beamter auf rund fünf Frauen, Männer oder Kinder - eine friedliche Demonstration gegen US -amerikanische Bombenzüge rechts und links ins Polizeispalier genommen („einschließend begleitet“). Dabei wurden die so „Begleiteten“ pausenlos und vorsorglich von einem Wagen an der Demo-Spitze abgefilmt. Das sei „beängstigend und einschüchternd“ gewesen. Mit diesem Argument forderten die Anwälte einiger Demonstranten in der Berufungsverhandlung die „Rehabilitierung“ ihrer Mandanten.

Das Bremer OVG argumentiert in seinem Urteil: Auch die optische Dokumentation einer Demonstration ist eine Datenerhebung und verletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Und: Die Ungewißheit, wozu die Aufnahmen später bei der Polizei verwendet werden, „hemmt die Betroffenen in ihrer Freiheit, sich ungehindert zu versammeln“.

Die Bremer Polizei hatte vor Gericht von „Gefahrenabwehr“ und „Objektschutz“ geredet. Aber nur eine erhebliche und „unmittelbar bevorstehende Gefahr“ kann solche Verletzung des Versammlungsrechtes rechtfertigen, fanden die Bremer Richter, nicht aber polizeiliche Mutmaßungen oder Prognosen aus Flugblättern oder früheren Erfahrungen.

„Die Demonstranten müssen sich doch vorkommen wie gefährliche Tiere im Käfig“, hatte in der Verhandlung der Vorsitzende Richter, OVG-Präsident Pottschmidt, den Vertretern von Polizei und Innensenator eindringlich vorgehalten und fügte hinzu: „Es ist nicht unerheblich, wenn Leute nur eingerahmt demonstrieren dürfen! Wenn ich da an Dresden oder Leipzig denke...“

Susanne Paas