DER HIMMEL AUF ERDEN

■ Fahrrad-Euphorie, Energiesteuereinkommen und evolutionär-kreative Neuordnung der Welt - ein Gespräch mit dem Weltrevolutionär und Chaosordner Rüdiger Kalupner

„Wir widersprechen der päpstlichen Warnung, 'den Himmel durch Menschenhand zu erwarten und herbeiführen zu wollen‘. Die Weltkulturrevolution durch die kreativen Evolutionäre wird die sein, die den 'Himmel und die Erde einander näherkommen‘ lassen werden. Der 'kreative Evolutionismus‘ ist nach unseren Erkenntnissen dazu bestimmt, den Rom -Katholizismus, den Konsum-Kapitalismus, den Zentralplan -Sozialismus auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern.“ Früher war der Autor dieser Sätze, Rüdiger Kalupner (49), ein ganz normaler Entwickler von Steuerungssystemen bei Siemens, mittlerweile gibt er seinen Beruf mit „Weltrevolutionär“ an. Als solcher stand er auch am 18.3.1990 zur Wahl - nicht in der DDR, sondern als Vorsitzender der ersten evolutionistischen Partei „Die Kreativen“ bei der Bürgermeisterwahl in Erlangen. Daß sich nur 374 ErlangerInnen für die euphorisch-kreative Weltrevolution entschieden, kann dem Optimismus des ehemaligen SPD-Stadtrats und IG-Metallers nichts anhaben: Seit er als Wirtschaftsingenieur ein revolutionäres, dezentrales System der Fertigungssteuerung erdachte und rausflog, weil er es nicht in der Schublade verschwinden lassen wollte, sieht er sich als Einzelkämpfer mit einem viel mächtigeren Alliierten als Parteien, Konzernen oder Gewerkschaften im Bunde: mit der Evolution.

taz: Auf einem Ihrer Flugblätter habe ich die These gefunden, daß es für eine ökologische und ökonomische Weltrevolution nur eines einzigen Schritts bedarf, der Umkehrung der Preis-Schere zwischen Energie und Arbeit.

Rüdiger Kalupner: Die geniale Alternative zur bisherigen Entwicklungslogik von Industriekultur, d.h. von der Entwicklung von Produktionssystemen und Lebensstilen, lautet: Wir belohnen nicht mehr jenen Teilnehmer am kulturellen Prozeß, der immer mehr Energie und Techniksysteme benutzt, um sich in diesem Prozeß zu behaupten. Sondern wir beginnen, auf der obersten Steuerungsebene dieser Industriekultur, jenen zu belohnen, der den Nutzungsgrad des vorhandenen Energiestroms durch Innovation, Kreativität und Selbstleistung steigert. Und zwar sowohl im Bereich der Lebensstile - wo dann etwa Radfahren belohnt wird - als auch im Bereich der Produktion, wo neue Strukturen gefördert werden, z.B. Alternativen zum heutigen Spitzenmodell des Energie- und Technikaufwands, der Ein-Mann-Fabrik. Bisher wird der prämiert, der immer mehr Energie und Technikaufwand in den Produktionsprozeß hineinzieht und gleichzeitig teure Arbeitsstunden wegrationalisiert. In Zukunft muß diese Schere zwischen steigenden Arbeitsstunden-Kosten und billigen Kapital- und Energiekosten umgekehrt werden. Nach meinen evolutionstheoretischen Erkenntnissen liegt der Ansatz dazu in einem einzigen Punkt: die zukünftigen Einkommenssteigerungen kollektiver Art dürfen nicht mehr über Verteuerung der Arbeitsstunden, sprich Tariflohnerhöhungen, laufen, sondern über ein zusätzliches Einkommen für jedermann, vom Kind bis zum Greis. Und dieses arbeitsfreie Einkommen muß durch die Energiesteuer und zu einem Teil durch die Anlage-Vermögensteuer finanziert werden. Die zukünftige Weltwirtschaft wird energiepreisgesteuert sein, heute ist sie zins- und arbeitskostengesteuert.

Sie haben für den Anfang 200 Mark pro Kopf und Monat vorgeschlagen - ungefähr 200 Milliarden Mark pro Jahr bei 80 Millionen Deutschen. Wo sollen die herkommen?

Das energiesteuerfinanzierte Einkommen ist arbeitsfrei, aber nicht ohne Leistung: Von diesem „Geschenk“ hat nur etwas, wer eine Selbstleistung erbringt und dafür eine Fremdleistung, die immer Energieleistung ist, vermeidet. Finanziert wird dies zum Beispiel von all denen, die etwa ihren Lebensstil, ihr Outfit, Auto und so weiter, also diese Unmengen Energie letztlich, beibehalten wollen.

Die Vorstellung von asketischen Landfreaks, die ihr Gärtchen beackern, ist ja ganz schön, nur ist es überhaupt nicht realistisch, daß eine Mehrheit sich für einen solchen Lebensstil begeistert. Sie wird auch nicht bereit sein, ihn zu finanzieren.

Es geht nicht um einen asketischen Lebensstil, sondern um die evolutionslogisch einzige Möglichkeit, den Fehlsteuerungsaufwand und Reparaturaufwand der Industriestaaten auf Null zu reduzieren: die Scheren -Revolution bewirkt deren radikalen Abbau in der Gesellschaft und damit eine Einsparung in der Größenordnung von 30-40 Prozent des heutigen Bruttosozialprodukts. Um ein paar Beispiele zu geben: Ein großer Brocken des Fehlsteuerungsaufwands sind die Krankenkosten, sie steigen exponentiell und liegen heute bei 300 Milliarden Mark im Jahr. Davon sind etwa 50 Prozent durch Bewegungsarmut verursacht - wer Fahrrad fährt, spart nicht nur Energie, er spart auch Krankenkosten. Schon allein dadurch sind nach 10 Jahren Einsparungen von über 100 Milliarden Mark fällig. Deshalb werden wir die Arzt-Lobby künftig zwar verbal auf unserer Seite, faktisch aber als Gegner haben. Der zweite große Block sind die Kosten der Arbeitslosigkeit, zur Zeit mindestens 60 Milliarden Mark pro Jahr. Wenn wir den Faktor Kapital gezielt teurer machen und den Faktor Arbeit billiger, dann haben wir endlich ein Instrument gegen Arbeitslosigkeit, wir können eine Übernachfrage nach Arbeitsstunden realisieren. Mindestens die Hälfte der jetzigen Kosten der Arbeitslosigkeit lassen sich einsparen. Ein weiterer großer Posten, ich rechne mit 20 bis 25 Milliarden Einsparungen, betrifft die gesamte Finanzverwaltung. Wir brauchen nur noch zwei Steuerarten die Energiesteuer und die Anlage-Vermögensteuer - alle anderen, Lohnsteuer, Mehrwertsteuer usw., der ganze riesige Steuer- und Finanzapparat können verschwinden. Und dann, ein gigantischer Posten, die Zinsen. Zinsen sind ja nichts anderes als Steuerungsaufwand, sie steuern das Kapital dorthin, wo es am meisten abwirft. Im Moment haben wir in der Bundesrepublik arbeitsfreie Einkommen durch Zinserträge in Höhe von über 250 Milliarden pro Jahr. Oder nehmen wir die Kosten für die 350 Milliarden Autokilometer pro Jahr, davon 150 Milliarden Kilometer in der Stadt - davon werden, wenn die Leute Rad fahren, 100 Milliarden eingespart, jeden Kilometer muß man, den Steuerungsaufwand durch Straßenbau, Polizei usw. mitgerechnet, mit etwa einer Mark veranschlagen. Und wenn man das jetzt alles zusammenrechnet, dann wird klar, warum ich mich hinstelle und sage: dieser einzelne geniale Eingriff realisiert das ökonomisch, ökologisch, gesellschaftlich maximal Erreichbare. Es gilt nur noch zu entscheiden, ob wir es in einer Deflation von Preisen umsetzen und/oder in Verkürzung der Arbeitszeit und/oder in entsprechend hohes erwerbsfreies Energiesteuer -Einkommen für jeden.

Was wird nach diesem „genialen Eingriff“ denn überhaupt noch produziert, der Bedarf an Fahrrädern, Solar-Anlagen und dergleichen ist ja nach drei Wochen gedeckt.

Es interessiert mich nicht, was produziert wird. Das entscheiden sowieso die Verbraucher. Und deren Bedürfnisse werden in Zukunft nicht mehr so ersatzbefriedigungs-dominant sein. Beispiel Auto: Wir werden eine kreative, epikureisch -euphorische Lebenskultur haben, eine Sein- und Werden -Kultur.

Wo soll die herkommen? Die Auto-Manie zeigt doch gerade, daß unsere psychische Disposition eher saurierhaft oder kingkongartig ist.

Die Fehlentwicklungen müssen erst wahnhaft überzogen werden, bevor sie mit geringem Aufwand gestürzt und ersetzt werden können. Die Vorstellungsfähigen in der Gesellschaft werden es als erste begreifen, daß es kein Schwachsinn ist, sondern das geniale Lösungsangebot des Evolutionsprozesses, in dem wir uns - spätestens seit Gorbatschow ist es sichtbar - zur Zeit allerdings noch mehr oder weniger unbewußt befinden - vorangetrieben wird...

...und zwar, wie Sie behaupten, wie beim Domino geradezu zwangsläufig, wenn eine Industrienation damit anfängt, müssen die anderen folgen...

Wenn Reparatur- und Fehlsteuerungskosten im Umfang von 600 Milliarden Mark pro Jahr wegrationalisiert werden, ist es logisch, daß unsere Produkte kostengünstiger sein können als alle anderen. Mit einer Deflation der Güterpreise werden wir zum Billigkostenland, und die anderen Nationen werden uns darin folgen müssen - oder sie werden vom Weltmarkt verschwinden. Das ist übrigens auch der einzige Weg, um zum Beispiel gegen die Japaner, die die Schere in der anderen, tödlichen Richtung immer weiter auseinanderzwingen, etwas auszurichten. Und wenn die Menschen sehen, daß hier ohne Kampf gegen Mensch und Natur und ohne unterdrückende Macht, sondern sensibel, dezentral und kreativ ein System geschaffen wird, das maximal weltmarktfähig ist, dann werden sie sagen: so wollen wir auch leben. Ein weiterer Verstärker sind vorausblickende Manager wie etwa Iacocca, den man 1986 drängte, Präsident zu werden, und der das ablehnte, weil er einfach keine Lösung hatte. Genausowenig wie etwa die Linken in den USA und anderswo, die zwar Visionen haben, Visionen einer besseren Gesellschaft, aber keine Ansätze, sie zu realisieren...

Diese alle haben jetzt mit ihrem Vorschlag die praktikable Ein-Punkt-Steuerungslösung für sämtliche Konflikte...

Ganz genau. Weil diese Umsteuerungslösung das ist, wonach von Echnaton und Epikur über Jesus bis zu Marx und Bloch alle gesucht haben. Ich behaupte nicht, daß ich das Absolute gefunden habe, sondern nur den Punkt, an dem wir ansetzen müssen, und die Theorie, wie wir ansetzen müssen. Wenn man in den Kategorien der Grünen denkt, bedeutet diese Theorie einerseits ein Maximum an Fundamentalismus - sogar Autonome werden sich begeistert damit anfreunden - und auf der anderen Seite ein Höchstmaß an praktischer, ganz konkret und realpolitisch umsetzbarer Politik.

Sie haben 1986 eine evolutionistische Partei - „Die Kreativen“ - gegründet und seitdem ihre einfache und geniale Idee in die Diskussion gebracht. Warum hat sie noch niemand aufgegriffen?

Ich bin mit meinem Evolutionswissen sowohl den Wissenschaften der komplexen Systeme als auch der Chaosforschung um einiges voraus und von den Machtspitzen in der BR Deutschland als der erkannt worden, der ich bin: einer, der das Machtsystem durch einen lust- und geistgesteuerten kreativen Prozeß ersetzt. Deshalb bin ich der einzige wirklich gefährliche Gegner des Machtclans, und entsprechend ist deren Gegenwehr: Medienblockade, Spinner -Image-Strategie, Totschweigen. Dabei können sich die Clanspitzen darauf verlassen, daß auch auf seiten der linken Intelligenz niemand offen und aufnahmefähig-suchend genug ist, meine Erkenntnisse als das Ideen-System zu erkennen, nach dem linke und ökologische Politiker dauernd suchen. Vielen maßgeblichen Leuten, bei den Grünen und in der SPD, habe ich meine Papiere geschickt, die Reaktion war fast immer gleich Null. Außer bei Lafontaine, der offenbar einiges davon aufgegriffen hat, aber noch nicht so weit geht, den Stopp kollektiver Lohnerhöhungen und die Einführung erwerbsfreien energiesteuerfinanzierten Einkommens zu fordern. Das haben ihm die Steinkühlers und Rappes, der DGB, im Jahr 1987/88 verboten. Deshalb haben wir jetzt die Situation, daß die Gewerkschaften weiter den Handlanger der Kapitalvorherrschaft spielen und mit jeder neuen Lohnerhöhung die Machtstruktur und das das gesamte Weltkultur-Problem stabilisieren. Das wird in dem Moment anders, in dem eine Situation eintritt - und sie ist in Deutschland jetzt eingetreten - in der ohne das Wissen über evolutionäre Steuerungsinstrumente und deren Anwendung alles zusammenbricht. Das Tempo, in dem Herr Kohl in der Deutschlandpolitik und Herr Steinkühler in der Tarifpolitik agieren, entstammt dem Wissen um die wirkliche vorrevolutionäre Situation in Deutschland. Es ist wie in der Ödipus-Sage. Sie wollen ihrem Schicksal entfliehen und beschleunigen es dadurch. Sie werden alle ein Honecker -Schicksal erleiden.

Sie waren selbst lange Jahre in der Gewerkschaft, dann in der SPD - wie kommt man von der IG Metall zur Evolutionstheorie?

1967 bin ich nach einem Karrierestudium - Diplom -Wirtschaftsingenieur - bei Siemens eingetreten, 1970 habe ich, aus lauter Scham, wie das da ablief, bei einer Betriebsversammlung aus dem hohlen Bauch über die Gesamtverantwortung von Großunternehmen gesprochen - die Versammlung wurde dann im Tohuwabohu abgebrochen. So fing es an, daß ich ein sehr erfolgreicher Metaller wurde. 1981, in einer großen existentiellen Krise, Ehe kaputt und so weiter, nahm ich an einem Wohnexperiment der AAA-Kommune teil und hatte dort ein ... die Mystiker würden es Erleuchtungserlebnis nennen. Ich sah plötzlich, daß es Dinge hinter den Dingen gibt, ich kam zu einer ganz neuen, nicht mehr nur verstandes- und kopfbetonten Wahrnehmung, wurde ungeheuer wach. Das hat sich dann beruflich ausgewirkt: ich war Koordinator eines Projekts für Fertigungssteuerung bei Siemens. Das ging aber den Bach runter, denn wir hatten keine Theorie. Bei einer Literatur-Recherche bin ich dann auf einen Aufsatz gestoßen, der auf einen blinden Fleck im gesamten System der Fertigungssteuerung aufmerksam machte und da hat es bei mir klack gemacht: ich konnte eines der schwierigsten Ingenieurprobleme überhaupt - die Steuerung hochkomplexer Fertigungsprozesse - ganz easy lösen, eine Aufgabe, die niemand auf der Welt richtig beherrscht. Ich habe dann einen Verbesserungsvorschlag eingereicht und bekam den Auftrag, diesen in die Fertigung im Siemens-Werk Nürnberg einzubauen.

Aber trotzdem sitzen Sie heute nicht im Siemens-Vorstand, sondern leben zur Zeit von Sozialhilfe. Wie kam das?

Alle haben mich damals gelobt, der Verbesserungsvorschlag wurde akzeptiert und ein Team gebildet, um ihn auszuarbeiten und zu vermarkten. Aber nach drei Sitzungen wurde dieses Team wieder aufgelöst - und alle Realisierungschancen blockiert. Ich habe mich gewehrt, sämtliche Vorstände angeschrieben, in dem Tenor: Wenn Ihr das nicht realisiert, dann gnade Euch Gott. Der gesamte Maschinen- und Anlagenbau, der größte Industriezweig der Bundesrepublik, hängt mit seiner ganzen Konkurrenzfähigkeit an diesem Problem der Steuerung der Fertigung. Ich wurde dann von heute auf morgen entlassen, wegen Arbeitsverweigerung.

Warum wollte Siemens es denn nicht machen?

Weil es eine Dezentralisierung der Steuerung bedeutete: die Leute, die fertigen, steuern gleichzeitig auch - und weil, wer steuert, auch Macht hat, wollte Siemens es nicht machen. Es hätte eine Machtrevolution in den Werkstätten bedeutet: jedem einzelnen Arbeiter wäre Steuerungsverantwortung und damit Macht zugekommen. Jetzt wird das Problem der Fertigungssteuerung durch einen gigantischen Technik-und Kapital-Input gelöst, indem man die Steuerung durch hochkomplizierte Technologie überflüssig macht. Mein Konzept der Steuerung hätte dieses weltweite Paradigma - daß der hochintegrierte, kapitalintensive Arbeitsplatz die Konkurrenzstrategie überhaupt darstellt - gestürzt. Daß die Gewerkschaften darauf nicht einsteigen, beweist einmal mehr, wie sie mit dem Kapital-Clan gemeinsame Sache machen. Bei meinem Siemens-Rausschmiß bekam ich von der IG Metall keine Unterstützung, und es ist klar, daß der Autoindustrie-IG -Metall-ADAC-Clan alles tun wird (und schon getan hat), um mich regional und überregional zu isolieren. Tatsächlich haben sie mich auf der Höhe meiner Fähigkeiten in eine neue Aufgabe katapultiert, denn mir dämmerte schon, daß meine Entdeckung weit über das Feld eines Ingenieurs hinausgeht. Das hing zusammen mit zwei Erkenntnissen im Jahr 1982: ich machte die Erfahrung, daß Fahrradfahren mehr ist als Fahrradfahren und begriff die historische Parallele (von Marx 1844), daß Arbeiten mehr ist als Arbeiten. Daß also den Radlern eine geschichtliche Trägerfunktion zukommt, als Nachfolgebewegung der Arbeiterschaft.

Was ist das „Mehr“ beim Radfahren und bei der „Arbeit“?

Marx hat das „Mehr-“ beim Arbeiten u.a. darin erkannt, daß über die Systemzwänge des marktwirtschaftlichen Kapitalismus die Menschen und die Industriekultur kaputtgemacht werden und deshalb die Arbeiter zur Trägergruppe des Kampfs werden, der diese Zwänge beseitigt. Das „Mehr“ des Radfahrens sehe ich darin, daß den Radlern erst mal evolutionslogisch die Straßen der Städte „gehören“, daß sie also den motorisierten Personenverkehr in die Nischen auf das notwendige Minimum zurückdrängen und damit die Macht Nr. 1 in der Bundesrepublik, den Autoclan, stürzen. Denn der hat nur eine Stütze: die Maximierung der Autokilometer in den Städten, auf den Autobahnen und dem Land. Der seidene Machtfaden ist der fortdauernde Autoterror in den Großstädten. Den können die Radler abschneiden. Das ist das revolutionär -gesellschaftliche „Mehr“ des Radfahrens. Deshalb sage ich: Radler auf allen Straßen, vereinigt Euch! Das revolutionär-individuelle „Mehr“ des Radfahrens ist die wahrnehmungssteigernde, euphorisierende Wirkung des Alltagsradelns für den Menschen, die als verführerische Droge zu einem Lustvoll- und Leicht-Bewußtsein führt und eine Selbstleistungskultur entwickelt, die den Menschen aus der Entfremdung von sich selbst befreit. Die wissenschaftliche Grundlage für diese Zusammenhänge liefert die Streßbiologie. Radfahren ist neben dem Beischlaf das maximale Angebot der Natur, Wahrnehmungssteigerung durch Abbau der Streßrückstandsprodukte im Körper zu erreichen. Autofahren und andere Fremdleistungs-Verkehrsmittel sind das Gegenteil davon: Sie zerstören die Wahrnehmungsfähigkeit und damit den Menschen.

Woher nehmen Sie ihren Optimismus?

Ich weiß, daß ich die Denk- und Machtstrukturen der gesamten über 5000jährigen Kulturgeschichte gegen mich habe. Ich weiß aber auch, daß diese Kulturepoche des machtkampfgetriebenen Wegs in der Evolutionsstufe „Industriekultur“ ihren Höhepunkt und Abschluß gefunden hat und einen Ausweg aus der Gordischen-Knoten-Situation sucht. Wir erfahren ja täglich, daß die Mächtigen nicht mehr steuern können, sondern zu Aussitzern geworden sind. Das ganze System schaukelt sich nach der Logik der Evolution und den Gesetzen der Chaostheorie immer weiter auf. Spätestens seit Gorbatschows Revolution von oben haben die Wünsche der Menschen und die Eigengesetzlichkeit der Basissysteme in den Gesellschaften die Steuerung der Veränderung übernommen. Ich habe am 14.11.1989 die evolutionär-maximale Steuerungslösung für das Zusammenwachsen der beiden Deutschlands veröffentlicht. Wenn diese E.P.I.K.U.R.-Projekt-Lösung bekannt wird, ist das Kohlsche GAU-Konzept vom Tisch...

E.P.I.K.U.R.-Projekt ist eine Abkürzung...

Es ist das politische Programm der Kreativen und heißt „Evolutions-Prinzipien-Informiertes-Kultur-Utopie- -Realisierungs-Projekt“ - und es kommt jetzt allein darauf an, das Bekanntwerden und die Diskussion des energiesteuerfinanzierten E.P.I.K.U.R.-Projekt-Lohns in der DDR an. Danach läuft alles wie nach dem 9. November in der DDR - allein die E.P.I.K.U.R.-Projekt-Lösung wird realisiert werden, weil sie allein aus der Eigengesetzlichkeit der menschlichen Systeme hervorgekommen ist und den Wünschen der Menschen in der DDR und in der BRD maximal entspricht. Diese konkurrenzlose Stellung im gegenwärtigen epochalen Umbruch ist ausreichender Grund für den Optimismus, daß aus meinen Erkenntnissen von der Radler-Revolution über die Scheren-Revolution eine Weltkultur-Revolution wird. Auch Einstein brauchte nur die Medien, um eine Weltrevolution in der Physik zu realisieren.

Interview: Mathias Bröckers

„Die Kreativen“, Rüdiger Kalupner, Am Färberhof 6, 8520 Erlangen