Weißwäsche für Schwarzgeld

■ Daß Geld nicht stinkt, ist allgemein bekannt. Aber manchmal ist es so schmutzig, daß es „gewaschen“ werden muß. In der Schweiz gehört Sauberkeit und Waschfreude zur Tradition...

Von

THOMAS SCHEUER

s knistert etwas spröde zwischen den Fingerkuppen, gleichwohl fühlt es sich nicht direkt unangenehm an. Die Zungenspitze meldet: trocken, sonst weitgehend geschmacksneutral. Die Nase rümpft sich hilflos: Ziemlich abgestanden, würde man bei einer Flüssigkeit sagen. Zwar hat das abgegriffene Stückchen Papier mit der beeindruckenden Serien-Nummer B 16049310 I schon ein Eselsohr und Washingtons Antlitz wirkt leicht vergilbt. Aber schmutzig kann man den 1985 in Umlauf gebrachten Geldschein (Text: In God we trust - ONE DOLLAR) nicht nennen. Die geheime Geschichte dieses Greenbacks ist mit Hilfe der gängigen Sinnesorgane nicht zu entschlüsseln. Wie erkennt man also „schmutziges“ Geld?

Als „schmutzig“ gelten im Volksmund wie in der Expertenwelt solche Gelder, die mit „schmutzigen“ Geschäften erwirtschaftet werden, also in Branchen, die nicht nur moralisch, sondern auch per Paragraph als kriminell eingestuft werden. Die größten Umsätze verzeichnet das internationale Drogenbusineß. Und diese Riesenumsätze werden zunächst auf der Straße in kleinen Scheinen gemacht. Doch die Drogenbosse wollen nicht - wie weiland Onkel Dagobert nur im Kleingeld baden, die Unsummen aus dem täglichen Straßendeal sollen vielmehr in seriöse Unternehmen, Immobilien und letztlich politische Macht investiert werden.

Ein Bericht der „Financial Action Task Force on Money Laundring“ schätzt den weltweiten Drogenumsatz im Geschäftsjahr 1987 auf rund 300 Milliarden Dollar. Etwa 85 Milliarden davon sollen in Nordamerika und Europa investiert worden sein. Doch wer etwa in Miami eine halbe Million Dollar in kleinen Scheinen auf die Banktheke blättert, macht sich heutzutage verdächtig. Deshalb muß das schmutzige Geld gewaschen werden. Möglichst unauffällig natürlich.

roße Mengen Geld fallen dort am wenigsten auf, wo ohnehin schon große Mengen Geld zirkulieren: In der schönen kleinen Schweiz zum Beispiel. Die fungiert als Zentrum des weltweiten professionellen Notenhandels; allein die drei Großbanken erreichen einen Umsatz von 80 bis 100 Milliarden Franken jährlich, wovon der größte Teil auf das Interbank -Geschäft, also den Geldwechsel der Banken untereinander, entfällt. Die US-amerikanische Drogenbekämpfungsbehörde Drug -Enforcement-Agency (DEA) nennt in geheimen Reports die Alpenrepublik als eine der wichtigsten Drehscheiben für das „money laundring“ der Drogengeldbosse. Die „Gnome“, wie die Banker von der Züricher Bahnhofstraße im Volksmund heißen, reden gerne vom „Mißbrauch“ ihrer Institute durch die Geldwäscher. Dagegen gibt es zumindest Indizien für die Ketzer-These, daß die Geldwäscherei in der Schweiz institutionalisiert ist. So sticht Experten seit längerem die starke Präsenz schweizerischer Banken in den Drogenzentren Miami und Panama ins Auge.

Professionellen Geldwäschern kommt eine Spezialität des Landes entgegen, welche auch die kapitalkräftigen Diktatoren dieser Welt an Heidis Heimat zu schätzen wissen. Nein, nicht die schöne Aussicht, auch nicht der Käse. Richtig: Die Nummernkonti.

Das schweizerische Bankgeheimnis hat historische Wurzeln: Im 18. Jahrhundert sollte es das Geld der Flüchtlinge vor den diversen Revolutionen sichern. 1934 wurde das Bankgeheimnis verschärft, um jüdisches Kapital vor den Nachforschungen der Nazis zu schützen. Wo die Vermögen ermordeter Juden geblieben sind, ist demgegenüber ein sehr unbeliebtes Thema, und kaum aufzuklären - dank Bankgeheimnis.

um öffentlichen Reizthema geriet die Geldwäscherei in der Schweiz durch die sogenannte Kopp-Affäre. Exemplarisch wurden Ausmaß und Methoden der großkalibrigen Geldwäscherei sichtbar, aber auch die Verfilzung der Handlungsträger bis hinein in Berner Regierungsstuben. Die Gold- und Geld -Handelsfirma Shakarchi geriet in den Verdacht der Geldwäscherei. Aus deren Verwaltungsrat war wenige Tage zuvor der bekannte Züricher Wirtschaftsanwalt Hans W. Kopp, Ehemann der Justizministerin Elisabeth Kopp, überplötzlich ausgeschieden (übrigens auch aus weiteren rund 15 Verwaltungsräten). Die Ministerin, so stellte sich bald darauf heraus, hatte aus ihrem Berner Amtszimmer heraus ihrem Hansi den telefonischen Tip gegeben, daß die Fahnder der Bundespolizei die Shakarchi AG im Visier hätten. Einige Monate später mußte die Ministerin ihren Sessel räumen.

Zur Erhellung der Kopp-Affäre wurde eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt. Zwecks Imagepflege haben die schweizerischen Banken sich vor Jahren einer sogenannten „freiwilligen Sorgfaltspflicht“ unterworfen. Doch der Schlußreport der PUK, für 25 Franken mittlerweile zum Bestseller avanciert, beleuchtet eindrücklich, wie es an den Bankschaltern zugeht. So werden etwa mehrere Fälle dokumentiert, in denen Geldkuriere gefälschte Banknoten einbezahlen wollten. Anstatt die Geldboten der Polizei zu melden, entwerteten die Banker die Blüten lediglich und gaben sie wieder zurück. Bei „guten Kunden“ sei diese Praxis üblich, lautete die Erklärung der betroffenen Banken. In zwei Fällen wurden Geldsendungen eindeutig indentifiziert: Der Cash stammte aus Flugzeugentführungen im Nahen Osten. Reaktionen: Keine!

ie renommierten Großbanken stehen erst am Ende der Waschstraße: Bis das schmutzige Geld dort landet, hat es oft schon eine Kette von Treuhändern, Vermögensverwaltern, Leasingfirmen, Notenhändlern und Geldwechslern durchlaufen. Solche Institute sind quasi für den Vorwaschgang zuständig. Gedeckt durch die Schweigepflicht von Treuhändern und Rechtsanwälten, sogenannten „Berufsgeheimnisträgern“, verschieben Geldhändler Millionen ihrer anonymen Kunden. Haben sie das schmutzige Bargeld „deliktischer Herkunft“, wie Kriminalisten vornehm formulieren, erst mal in unauffälligeres Buchgeld umgewandelt, ist das Schlimmste schon geschafft.

Allmählich hat sich bei Kriminalisten die Erkenntnis durchgesetzt, daß es effektiver ist, die Hand auf das Kapital der Drogenbarone zu legen, als den in viel kleineren Mengen zirkulierenden Drogen selbst nachzuhetzen. Das Problem der Fahnder ist die Identifikation der bereits gewaschenen Drogengelder. „Wir müssen das schmutzige Geld zum Stinken bringen“, umschrieb Zürichs Erster Staatsanwalt Marcel Bertschi vor wenigen Wochen diese Aufgabe auf einer Expertenkonferenz der westdeutschen Innenminister-Konferenz zum Thema organisierte Kriminalität. Und jammerte sogleich: Bei einigen Millionen Kontobewegungen pro Jahr käme das einer Sisyphus-Arbeit gleich. Das Problem liegt wohl eher beim politischen Willen in Gesellschaften, in denen Eigentum und Geld nun einmal als unantastbar gelten.

Der Tessiner EX-Staatsanwalt Paolo Bernasconi etwa, der sich weltweit als Mafia-Jäger einen Namen machte, verweist auf gute Erfahrungen mit dem „paper tracing“, einer Technik, bei der mit rein buchhalterischen Mitteln der Weg von Geldern rekonstruiert wird. Solche Geldflußanalysen haben in jüngster Zeit bereits mehrmals zu Beschlagnahmen in Höhe von 10 Millionen Dollar und mehr geführt. Auch die bankenübliche Ausrede, die Banken seien mit der Überprüfung der Geldkuriere überfordert, läßt Bernasconi nicht gelten. Wer etwa bei einer Bank einen Kredit beantrage, so sein Gegenbeispiel, müsse sich in der Regel einem bis auf die Haut gehenden „financial strip-tease“ unterwerfen. Wenn es um die Kreditwürdigkeit eines Kunden gehe, seien die Banken also sehr wohl zu intimen Recherchen fähig und willens. Den gleichen Ehrgeiz müsse man, so die Umkehrlogik, den Banken auch gegenüber Kunden abverlangen, die im Koffer eine Million auf den Tisch knallen. Bernasconis zentrale Forderung zielt auf eine „globale Strategie“ gegen organisierte Kriminalität und Geldwäscherei.

och internationalen Abmachungen entzieht sich der „Sonderfall Schweiz“. Zwar sah sich das Parlament durch die Kopp-Affäre und durch Druck seitens der USA und der EG jetzt zur Verabschiebung eines Geldwäscher-Gesetzes gezwungen, das im Juli in Kraft treten soll. Doch schon jetzt weisen Experten auf Lücken hin und fordern Nachbesserungen. So gilt das Gesetz nur für Banken, nicht aber für die illustre Branche der Treuhänder und Geldhändler, durch deren Reihen denn auch ein spürbares Aufatmen ging. Die Banken selbst sind bei Fahrlässigkeit fein raus, nur vorsätzliche Geldwäsche, die schwer zu beweisen ist, soll strafbar sein. Als „Politur fürs Banken-Image“ wertete der 'Tages-Anzeiger‘ das neue Paragraphenwerk. Zu viele der ehrenamtlichen Abgeordneten stehen eben auf den Honorarlisten der Banken; 54 Volksvertreter finden sich gleichzeitig im Verwaltungsrat einer Bank. Die werden auch weiterhin als Weichmacher dafür sorgen, daß der Waschsalon Schweiz so schnell nicht trockengelegt wird.