Tausendsassa mit braunem Schatten

■ Harry Piel, ein Filmstar der frühen Jahre

Ein Film, in dem in den anfänglichen zehn Minuten nur arabisch gesprochen wird, würde heute noch ein sich aufgeschlossen gebendes Kinopublikum zu unruhigem Gemurmel veranlassen. Der Regisseur, Schauspieler, Produzent und Drehbuchautor Harry Piel ging dieses Wagnis 1938 ein, als alle Filmschaffenden zur Deutschtümelei verpflichtet waren und Chauvinismus groß geschrieben wurde.

Der 1892 geborene Piel war über Deutschlands Grenzen hinweg der unumschränkte Star zwischen den Weltkriegen, ein Self -made-man, der den Begriff Tausendsassa zum Lebensprinzip erhob, sowohl hinter als auch vor der Kamera. Piel ließ sich nie festlegen oder in Schubladen stecken. Er schuf zur Stummfilmzeit wilde Abenteuerspektakel, die selbst den Amerikanern zu gewagt waren und mit einem Einfuhrverbot belegt wurden. Er drehte Kolportagen, die sich zusätzlich problemlos als Groschenheftreihe vermarkten ließen, und er schneiderte sich mit noch immer modernen Public-Relation -Methoden ein Image, das nach heutigen Maßstäben in etwa Steven Spielberg, Richard Lester und Jean-Paul Belmondo zu einem schauspielernden Filmmogul der Sonderklasse zusammenfassen würde.

Die Klaviatur der Unterhaltungsindustrie beherrschte der Autodidakt Piel perfekt. Dem nüchternen kommerziellen Kalkül gegenüber aber stand die Leidenschaft für das Kino, die ihn einen Film nach dem anderen - 110 insgesamt - drehen ließ. Innovatorisch arbeitete Piel schon zu Stummfilmzeiten, was Licht-, Kamera- und Schauspielerführung, Schnittechnik und Special Effects betrifft. Auch inhaltlich ist Piel nicht auf den Unterhaltungsfilmer und den zeit seines Lebens verehrten Publikumsliebling zu reduzieren. Seine Selbststilisierung wurde immer wieder ironisch gebrochen, und seine späten Filme zeichnen sich teilweise durch einen unverblümten Realismus aus, der ihn in Konflikt mit den Nazis brachte.

Die Beziehung Piels zu den braunen Machthabern ist ein komplexes Kapitel. Piel war in der NSDAP, förderndes Mitglied der SS und wurde nach dem Krieg als Mitläufer zu sechs Monaten Haft verurteilt. Allerdings entsprach Piel wohl nicht gerade dem Bild des „typischen“ Mitläufers (typisch oder untypisch, mitgelatscht ist mitgelaufen, d. s-in). Schon 1933 zeigte er in einem seiner Filme in drastischen Bildern die Folgen eines Luftangriffs auf deutsche Städte - und handelte sich prompt ein Aufführungsverbot seitens der Nazis ein. Sein „Mitläufertum“ konnte nicht verhindern, daß 1939 seine Produktionsfirma verstaatlicht und dem nationalsozialistischen Medienimperiums einverleibt wurde.

Matias Bleckman analysiert in Der Cinegraph die Filme, die Piel zur Zeit des Dritten Reiches drehte, und weist auf deren Mehrdeutigkeit und Anspielungsreichtum hin, die mit den damals üblichen Durchhaltemachwerken wenig gemein hatten und bis an die Grenze des Erlaubten gingen: „Als die deutsche Filmproduktion auf Hochtouren lief, um dem Publikum immer absurder wirkende Bilder einer völlig intakten Welt ohne Lebensmittelkarten, Fliegeralarm und zerstörte Städte vorzugaukeln, da drehte Piel einen Film gerade über diese Wirklichkeit, die Luftangriffe. (...) Am Ende stand das Verbot durch Goebbels.“

Der unmögliche Herr Pitt, den 3sat am Samstag um 17.25 Uhr zeigt, hatte vermutlich wenig Probleme, die NS-Zensur zu bestehen, handelt es sich doch dabei um einen vor exotischer Kulisse spielenden Abenteuerfilm, der sich und seinen Hauptdarsteller Harry Piel nicht immer ganz ernst nimmt.

Harald Keller