„Ich höre viel Autoradio“

■ Gespräch mit Gottfried Müller, Medienminister der DDR, über Kompetenzen, Fernsehzukunft und Privatinteressen

Derzeit beschäftigen sich in der DDR drei unterschiedliche Institutionen mit der medienpolitischen Zukunft des Landes. Der Medienkontrollrat, das „älteste“ Gremium, wurde noch vor den Volkskammerwahlen vom Runden Tisches eingesetzt, um über die Einhaltung des Medienbeschlusses vom Februar zu wachen. Mit der Regierungsbildung nach den Volkskammerwahlen ist ein Ministerium für Medienpolitik installiert worden, das seinen Sitz in den ehemaligen Räumen des SED-Presseamtes hat, dasselbe Gebäude übrigens, in dem schon Goebbels Reichspropagandaministerium residierte. Vor kurzem wurde in der Volkskammer als drittes Gremium ein Medienausschuß gebildet, dessen Mitglieder nach Parteienproporz eingesetzt wurden. Auf seiner letzten Sitzung am Mittwoch hatte der Medienkontrollrat die Ausschußmitglieder zur Klärung der jeweiligen Kompetenzen um eine Aussprache gebeten. Entgegen der folgenden Ausführungen des Medienministers erklärte der Vorsitzende des Medienauschusses, Dieter Schwarz (DSU), daß es die „alles überstrahlende Aufgabe“ seines Gremiums sei, ein Mediengesetz auszuarbeiten. Mit der Vorlage eines Rundfunkgesetzes zur parlamentarischen Lesung rechnet Schwarz schon Ende nächsten Monats.

taz: Herr Müller, Sie sind Minister für Medienpolitik, ein Amt, das es in der Bundesrepublik so nicht gibt. An anderer Stelle haben Sie einmal gesagt, Sie seien für „Vertrauenswerbung und Informationsangebote an das In- und Ausland zuständig“, also Public Relation für die DDR -Regierung. Ist das nicht ein etwas verkürztes Verständnis von Medienpolitik?

Gottfried Müller: Die Öffentlichkeitsarbeit ist tatsächlich nur ein Teil des Ministeriums. Wir haben aber den Schwerpunkt in unserem Hause bei der Abteilung Medienpolitik, die praktisch neuaufgebaut wird. Und hier geht es darum, die Kompetenzen der späteren Länder jetzt für den Übergang schon einmal zu organisieren und in gewisser Weise als Anwalt der Länder tätig zu werden.

Nun ist ja der Medienbereich ein weites Feld. Wo genau liegen da Ihre Aufgaben und Kompetenzen?

Die Kompetenzen müssen wir uns zunächst einmal zusammensuchen. Die Hauptkompetenz eines solchen Ministeriums ist die gesetzgeberische. Hier sind wir gerade dabei, die Mediengesetzgebungskommission, die bisher beim Justizministerium angesiedelt war, nun in unser Haus zu übernehmen. Dann gibt es medienpolititische Kompetenzen bei der Frequenzvergabe. Hier ist ja in erster Linie die Post zuständig, die den technischen Bereich betreut. Wir sind jetzt auch dabei, uns mit der Post zu verständigen.

Wieviele freie Hörfunk- und Fernsehfrequenzen stehen in der DDR noch zu Verfügung?

Da sind wir mit der Post noch nicht im Klaren. Ich habe mir nur sagen lassen, daß die Post das auch nicht so genau weiß.

Als längjähriger Chefredakteur der thüringischen Kirchenzeitung 'Glaube und Heimat‘ waren Sie ja bislang eher im Printmedienbereich zu Hause. Aber wie steht es mit Hörfunk und Fernsehen? Dort tut sich ja in der DDR einiges, was sie als Medienminister interessieren müßte. Was wird aus dem DDR-Fernsehen?

Hier sind wir im Ministerium erst einmal darauf angewiesen, die vielfältigen Pläne und Projekte, die auf diesem Gebiet existieren, nun kennenzulernen und sie auf ihre Interessenlage hin zu überprüfen. Es zeichnet sich aber so viel doch wohl schon ab, daß die Zukunft im Bereich der elektronischen Medien ausschlaggebend sein wird durch die entstehenden Länder. Die Länder werden auf jeden Fall Anspruch auf die zentrale Potenz des Fernsehens erheben und Länderanstalten bilden. Was sich dann mit dem zweiten Fernsehprogramm tut, was zentral gestaltet wird, das muß sich dann zeigen. Und wenn dann noch mehr übrigbleibt, ich weiß nicht, das müssen wir dann im Einzelnen prüfen.

Wird es mehrere Landesrundfunkanstalten geben oder wird es, wie in verschiedenen Meldungen über die Medienvereinbarungen im Staatsvertrag zu lesen war, nur noch eine Landesrundfunkanstalt für die gesamte DDR geben?

Im Prinzip müssen wir davon ausgehen, daß jedes Land eine Landesrundfunkanstalt für sich in Anspruch nimmt. Wir wissen natürlich, daß das ein großes Finanzierungsproblem gibt. Und ob nun fünf Landesrundfunkanstalten in Zukunft überlebensfähig sind, das muß sehr genau untersucht werden. Es könnte durchaus sein, daß sich mehrere Länder zusammentun müssen, um eine gemeinschaftliche Rundfunkarbeit zu betreiben.

Es gibt aber doch noch gar keine Länder, geschweige denn Länderverfassungen. Solange liegt es doch in Ihrem Kompetenzbereich, wie eine zukünftige Mediengesetzgebung gestaltet sein soll.

Ich gehe schon davon aus, daß wir hier den Ländern vorarbeiten müssen, weil sich ja eine ganze Reihe von Entscheidungen gar nicht so lange hinausschieben lassen, bis die Länder funktionsfähig sind. Wir müssen jedoch darauf achten, daß innerhalb eines gesetzlichen Rahmens die Spielräume noch vorhanden sind, die dann von den Ländern auszufüllen sind. Ich würde gern die Medienlandschaft in der DDR geordnet sehen, daß man darüber dann auch in die Beitrittsverhandlungen mit der Bundesrepublik eintreten kann. Wir haben zur Zeit noch die Vorstellung einer Gesamtgesetzgebung. Es sieht aber fast so aus, als ob unter dem Druck der Tatsachen einzelne Teile der Gesetzgebung vorgeschaltet werden müssen.

Welche Tatsachen sind es denn, die Sie so drücken?

Etwa das Problem der Förderalisierung, das soll ja doch möglichst bald in Angriff genommern werden. Vielleicht auch auch das Problem der Einführung des dualen Systems.

Damit meinen Sie die Zulassung privater Rundfunkanbieter. Wie weit sind Ihre Überlegungen da gediehen?

Wir stellen uns zu der Aussage des Medienkontrollrates, daß die öffentlich-rechtlichen Institutionen den Vorrang haben vor den privaten. Ob sich das auch zeitlich hintereinander schalten läßt, ist eine andere Frage. Es sieht so aus, als ob sich einige Probleme, auch finanzieller Art, besser lösen lassen, wenn man schon früher private Anbieter zuläßt. Insgesamt gesehen, sind wir hier im Hause in der Pflicht, möglichst bald eine Schrittfolge in den Entscheidungsprozesse festzulegen.

Und wie sieht diese Schrittfolge aus?

Hier wird jeder Gedanke und jede terminliche Prognose am nächsten Tag schon wieder dementiert. Man könnte aber vielleicht sagen, im Herbst - oder wir wollen mal etwas kühner sein, denn es drängt nämlich wirklich...

Ja, formulieren Sie doch mal ihre kühnsten Wünsche.

Ich gehe davon aus, daß im Frühherbst ein Gesamtkonzept auch gesetzgeberischer Art vorliegen kann.

Als Minister für Medienpolitik müssen Sie sich natürlich von Amts wegen für Medien interessieren. Aber welche Medien nutzen Sie privat? Haben Sie eine Lieblingzeitung, eine Lieblingssendung im Fernsehen?

Eine Lieblingszeitung? Ich bin schon ganz schlicht zufrieden mit meiner Regionalzeitung, der 'Thüringischen Landeszeitung‘. Medienkonsument bin ich laufend beim Rundfunk, da ich viel Auto fahre, höre ich viel Autoradio und höre mir da die politischen Sendungen an.

DDR-Programme oder Sendungen von „drüben“?

Wie es kommt, was ich gerade im Autoradio besonders gut bekomme.

Und was gucken Sie, wenn Sie abends nach Hause kommen, im Fernsehen?

Ja, weil es mir zeitlich günstiger liegt, die „heute„ -Sendung im ZDF und hinterher die „AK“.

Und nur so zur Unterhaltung sehen Sie gar nichts?

Zur Unterhaltung höre ich dann wieder lieber Radio, klassische Musik. Vielleicht mal 'nen Krimi zwischendurch.

Haben Sie schon mal die Programme der privaten Anbieter gehört oder gesehen?

Nein, die kann ich nur hier in Berlin empfangen, und da ist die Zeit meistens nicht gegeben.

Aber als Medienminister, der die Entscheidung darüber mitträgt, ob private Programme auch bald in der DDR zugelassen werden, müssen Sie sich doch informieren, was die so machen, oder?

Sie haben schon recht, daß werden wir dann auch mal machen. Beim Rundfunk kriegt man ja per Autoradio auch so einiges mit, diese Frequenzen um die 100 herum. Ich verstehe schon, warum die beim Publikum ankommen, obwohl das nicht unbedingt mein Stil ist. Aber so die Lockerheit, mit der da so gearbeitet wird, die finde ich schon ganz beachtlich.

Was wird aus Ihnen, Herr Minister, wenn wir „wiedervereinigt“ ist?

Da habe ich noch keine Sorgen. Meine Landeskirche hat mich zum Dienst in diesem Amt freigestellt. Und wenn diese Dienstzeit vorbei ist, dann kann ich wieder in ihre Arme zurückkehren.

Sie werden also nicht für ein gesamtdeutsches Medienministerium kämpfen?

Ich wäre sogar dagegen, daß es ein solches Ministerium dann gibt. Denn das Medienministerium hat seine Funktion ausgesprochenermaßen in der Zeit des Überganges von einem zentralistischen, parteigelenkten Systems zu einem offenen, in dem man ja möglichst die Selbstregulierungskräfte zur Wirkung kommen läßt. Und je weniger Medienpolitik dann sichtbar ist, um so besser wird es dann in den Medien aussehen. Aber der Übergang muß organisiert werden.

Interview: Ute Thon