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WHAT A WONDERFUL PLACE

■ Artemisia, das erste Frauenhotel auf dem europäischen Kontinent, wurde ein Jahr alt / Befriedigende Bilanz

Wer sich und ihrer Liebsten etwas Besonderes gönnen will und kann -, bucht am besten die „Königinnensuite“. Das Gemach mit stattlichem Lager und Badewanne kostet 180,- DM pro Nacht, inklusive opulentem Frühstücksbüffet. Und wenn dann das Wetter noch mitspielt, kann frau den Tag hoch über den Dächern von Berlin auf der Sonnenterrasse beginnen.

Doch das „Artemisia“ ist nicht nur ein Geheimtip für Loverinnen. Auch unter Touristinnen und Geschäftsfrauen hat sich der Name inzwischen herumgesprochen. Mitten im Großstadtgetümmel, ganz in der Nähe des Ku'damms gelegen, bietet das erste Frauenhotel auf dem europäischen Kontinent eine ruhige und komfortable Bleibe - zu erschwinglichen Preisen. Die hellen Zimmer, acht Einzel- und Doppelzimmer, insgesamt 14 Betten, haben neben Bad (Dusche, WC) und Telefon auch andere, nützliche Accessoires: Schreibtisch, Leselampe, Spiegel von Kopf bis Fuß, Fön. Jeder Raum ist individuell eingerichtet und einer berühmten Frau aus der Berliner Geschichte gewidmet. Zum Beispiel der Künstlerin Hannah Höch, der Atomphysikerin Lise Meitner, der Schriftstellerin Bettine von Arnim oder der „Karschin“, einer Improvisationskünstlerin und Liedermacherin des 18. Jahrhunderts. Anna Luisa Karsch (1722-1791) war übrigens eine der ersten Frauen, die sich von ihrer Dichtkunst selbst ernähren konnte. Wer sein Zimmer, nicht aber das Hotel verlassen will, kann sich im Salon an die Bar oder den offenen Kamin setzen oder sich im Frühstücksraum in der kleinen Hausbibliothek bedienen.

Ein Blick ins Gästebuch zeigt: Die Gästinnen sind meist sehr zufrieden: mit der angenehmen Atmosphäre, dem freundlichen Service und der Tatsache, hier von männlicher Anmache verschont zu bleiben. „Als alleinreisende Frau fühle ich mich doch noch oft bedroht, belästigt. Wie schön, daß ich zumindest hier einen Ort hatte, wo ich aufatmen konnte“, schreibt eine. Eine andere freut sich: „Es ist so schön, hier aufzustehn und weit und breit kein Typ zu sehn.“ Tatsächlich ist das „Artemisia“ aber nicht völlig „off limits“ für Männer. Wenn eine Gästin ein Gespräch im Hotel führen will, kann sie ihren Partner schon mal in der Bar empfangen.

Das Hotel ist inzwischen gut - durchschnittlich zu 70 Prozent - belegt. Die Gästinnen, vorwiegend Geschäftsfrauen, kommen neben der BRD vor allem aus der Schweiz und den USA. Die Inhaberinnen können nach einem Jahr positive Bilanz ziehen. Die vier, Gabriele Bernhard, Renata Bühler, Manuela Polidori und Eva Veith, sammelten ihre beruflichen Erfahrungen in der TouristInnen-Branche, unter anderem bei der Frauenreiseveranstalterin „frauen unterwegs“ e.V. Dort entstand auch die Idee für das Hotel, denn gar zu oft kamen Anfragen nach frauenfreundlichen Unterkünften in Berlin und anderswo. Das Glück wollte es, daß ihnen eine alte, heruntergekommene Pension angeboten wurde. Sie griffen zu, auch wenn die Räumlichkeiten in einem desolaten Zustand waren und der Umbau eine Stange Geld kostete. Das Kapital, rund eine halbe Million DM, borgten sie sich bei FreundInnen, Bekannten und bei der Bank. Inzwischen arbeitet eine der vier ganz im Haus, die anderen müssen sich ihren Lebensunterhalt teilweise anderweitig verdienen.

Das „Artemisia“ will aber mehr als eine Übernachtungsmöglichkeit sein. Es möchte auch einen „kulturellen und kommunikativen Raum für Frauen“ bieten. Konferenzen und Seminare, Feste und Empfänge können dort veranstaltet werden. Die Hotelieres richten dann auf Wunsch ein leckeres Büffet und besorgen die notwendigen Geräte.

Selbstverständlich sind auch Berlinerinnen herzlich willkommen. Zum Frühstück genauso wie ab 17.00 Uhr an der Bar oder auf der Dachterrasse. Natürlich können sie auch tagen, feiern und übernachten. Für den kulturellen Rahmen sorgen vierteljährlich wechselnde Ausstellungen von Berliner Künstlerinnen. Zur Zeit ist die Malerin Gabriele Sagasser zu sehen. Besichtigung: täglich ab 17.00 Uhr.

„What a wonderful place this is“, schrieb kürzlich eine Gästin. Stimmt!

Ulrike Helwerth

„Artemisia“, Brandenburgische Straße 18, 1000 Berlin 31, U -Bahnhof Konstanzer Straße. Tel. 030/ 87 89 05 / 87 63 73

Preisliste: Einzelzimmer mit Dusche/WC 95,- bis 105,- DM. Zweibettzimmer mit Dusche/WC 130,- bis 150,- DM, mit Dusche außerhalb des Zimmers 120,- DM, ein Platz im Vierbettzimmer mit Dusche/WC außerhalb des Zimmers 42,50 DM, Suite mit Bad/Dusche/WC 180,- DM, Kinder bis 6 Jahre umsonst, 6 bis 12 Jahre (im Zimmer ihrer Mutter) 50 Prozent. Die Preise enthalten Frühstücksbüffet, Service und Mehrwertsteuer, Gruppenpreise auf Anfrage. Konferenzraum für maximal 25 Personen: 1 Tag 120,- DM, 1/2 Tag 70,- DM

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