„Schon lange eine Landplage“

■ Eine Roma- und Sinti-Ausstellung in Köln

In Hamburg, Köln und Ludwigsburg interniert, wurden sie im Mai 1940 deportiert - die 2.800 westdeutschen und nordwestdeutschen Sinti und Roma, mit deren Deportation nach der Planung der NS-Strategen das eingeleitet werden sollte, was sie die „grundsätzliche Regelung der Zigeunerfrage im Reichsmaßstabe“ nannten.

Daß sich ein Erinnern nach fünfzig Jahren nicht auf das pflichtgemäße Gedenken und die auf den Jahrestag fixierte Betroffenheit reduzieren muß, sondern die Zusammenhänge des Geschehens deutlich machen kann, zeigt eine Kölner Ausstellung unter dem Titel Nur wenige kamen zurück. Die Historiker Karola Fings und Frank Sparing dokumentieren in Köln, daß die Deportation und die Vernichtung vieler Sinti und Roma den grausamen Höhepunkt von Verfolgung und Ausgrenzung, nicht aber deren Beginn und Ende darstellen.

Daß es zumeist gar keiner reichsweiten Bestimmungen und Gesetze bedurfte, vor Ort Maßnahmen gegen Sinti und Roma zu ergreifen, wird am Beispiel der Stadt Köln deutlich. Bereits seit Ostern 1928 hatte die Stadt eine gesonderte Schulklasse für „Zigeunerkinder“ eingerichtet und so den Grundstein für die spätere Praxis in anderen Großstädten gelegt. Und auch in anderer Sache, im Aufbau eines von der SS bewachten kommunalen „Zigeunerlagers“, konnte die Kölner Verwaltung ihre Erfahrungen schon früh an die Städte weitergeben, die „entsprechend der Kölner Regelung“ verfahren wollten. Hatte man hier doch schon im Mai 1935 den Stacheldraht um das Lager ausgerollt und kontrollierte die Sinti und Roma mit einer „Zigeunerdienststelle“ der Kriminalpolizei, die sich auf eine örtliche „Zigeunerdatei“ stützen konnte.

Die Kölner Ausstellung dokumentiert die Eigeninitiative der Kommunen im Bereich der Verfolgung und zeigt, daß die Rolle der örtlichen Behörden hier größer ist, als bisher angenommen. Fings und Sparing machen dies mit zum Teil bisher unveröffentlichten Bildern aus den Lagern in Köln, Düsseldorf und Gelsenkirchen deutlich.

So erhielt die „rassenhygienische Forschungsstelle Ritter“, die mit ihren „Gutachten“ ab 1937 über Leben und Tod der einzelnen Sinti und Roma entschied, von der örtlichen Polizei bei ihren Untersuchungen auf den „Zigeunersammelplätzen“ jegliche Unterstützung. Neben dem Leidensweg der Opfer, der in die Konzentrationslager und Ghettos führte, verfolgt die Dokumentation die Karrieren der Täter, so der „Rassenhygieniker“, die mit den Nazi -Unterlagen in der BRD die „Zigeunerforschung“ weiterbetrieben. In der Präsentation der Kontinuitäten liegt eine besondere Stärke der Kölner Ausstellung. Wir erfahren, daß ein Kripo-Kommissar Dirsch, der sich schon 1931 in einem Handbuch mit der „Bekämpfung der Zigeuner“ beschäftigte, 1949 erneut ein Polizeihandbuch zur „Überwachung von Zigeunern“ vorlegt. Wir sehen ebenso, daß der Bundesgerichtshof 1959 eine Entschädigungsklage eines Kölner Roma ablehnt und in der Begründung mitteilt, daß die „Zigeuner schon lange vor dem Nationalsozialismus eine Landplage waren“. Erst 1963 stufte der Bundesgerichtshof die Deportationen vom Mai 1940 als nationalsozialistische Gewaltmaßnahme ein.

Daß „die wenigen, die nach Köln zurückkamen“, in den achtziger Jahren erneut mit kommunalen Initiativen konfrontiert wurden, die beklemmend an die Vergangenheit erinnern, machen die in der Ausstellung gezeigten Pläne der Stadt für ein bewachtes Roma-Lager von 1988 deutlich. Dieselbe Stadt, welche die Ausstellung über Mittel des Kulturamtes fördert, läßt bei der „Zentralen Anlauf- und Beratungsstelle für ethnische Minderheiten“ personenbezogene Daten der Sinti und Roma sammeln und steht damit in Konfrontation mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz in Nordrhein-Westfalen, der im Januar riet, „die Personenakten unverzüglich auszusondern und zu vernichten“. Die breit recherchierte Dokumentation, die als Wanderausstellung konzipiert ist und in Bonn und Düsseldorf zu sehen sein soll, wurde nun in Köln in einer Zeit eröffnet, in der die Zeichen wieder auf Konfrontation stehen. Nach der großen Razzia der Kölner Polizei im Roma-Lager im Schiffhof im April, die der evangelische Stadtsuperintendent als „Flächenbombardement“ geißelte, ging die Polizei nun selber mit einer Ausstellung an die Öffentlichkeit, die Sinti und Roma an den Pranger stellt. In Vitrinen im Polizeipräsidium wird der im Schiffhof-Lager gefundene Schmuck als Diebesgut präsentiert, zum Zwecke der „Identifikation“.

Seit dem Wochenende stehen die Menschen in Schlangen vor dem Präsidium - nur wenige hundert Meter entfernt vom Forum der Kölner Volkshochschule, in dem mit der Ausstellung Nur wenige kamen zurück die Kontinuitäten der Ausgrenzung aufgezeigt werden.

Jochen Arntz

„Nur wenige kamen zurück . Deutsche Sinti und Roma im Nationalsozialismus“, 15.Mai bis 15.Juni 1990, montags bis freitags von 16 bis 20, samstags und sonntags von 10 bis 17 Uhr, Forum der VHS Köln, Neumarkt. Führungen nach Vereinbarung. Tel.: 0221/242536.