Neue Köpfe, alte Zahl

■ Im neuen Outfit präsentiert sich die D-Mark ab Oktober diesen Jahres. Mit Porträts von mehr oder weniger berühmten Verstorbenen und im völlig neuen Design dürfen wir die Scheine fürderhin ausgeben. Das Motiv für die Einführung der neuen Banknoten sind jedoch weniger ästhetische Gesichtspunkte als vielmehr die optimierte Fälschungssicherheit.

Von

KATRIN SCHRÖDER

chnee von gestern“ ist für die Dame aus der Pressestelle der Bundesbank schon das neue Geld, das ab Oktober diesen Jahres in Umlauf kommen soll. Seit einem Jahr bereits informiert die bundesdeutsche Währungshüterin über die Neugestaltung ihrer Banknoten.

Im kommenden Herbst werden zunächst der neue Hunderter, auf dem die Pianistin und Komponistin Clara Schumann abgebildet ist, und - als echtes Novum - der Zweihunderter, mit dem Porträt des Mediziners Paul Ehrlich, in Umlauf gebracht. Bis Anfang 1993 folgen dann nach und nach die anderen Scheine. An „dem Ding“ arbeitet die Deutsche Bundesbank seit 1984, der Öffentlichkeit wurden die neuen Noten im April 1989 erstmalig vorgestellt.

Ein Run auf die Banken zwecks Umtausch der alten Scheine ist jedoch nicht notwendig. Auch wenn die jetzigen Noten etwa Mitte der neunziger Jahre kein akzeptiertes Zahlungsmittel mehr sein werden, tauscht sie die Bundesbank auf unbegrenzte Zeit zu ihrem Nennwert um. Ein privates DM -Barvermögen in alten Scheinen wird dann also nicht zu Altpapier.

Dr. Storch, Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank und zuständig für die Bargeldversorgung, sieht den garantierten Eintausch aller DM-Altnoten auch „als wichtige Mitteilung für Menschen in anderen Ländern, in denen unsere Währung sozusagen als geheime Ersatzwährung gilt“. Eine Sicherheit wohl auch für all die steuerscheuen Geldvermögen, die als bare Tausendmarkscheine in Schweizer Banksafes deponiert sind.

amhafte Historiker haben sie ausgewählt, die „bedeutenden Persönlichkeiten aus der deutschen Kultur- und Geistesgeschichte der letzten zwei- bis dreihundert Jahre“, die in Zukunft unsere Geldscheine zieren sollen. Man wollte „nicht die ganz Großen nehmen, wie Goethe oder Beethoven“, teilt die Bundesbank mit. Die Personen sollten eine eigenständige wissenschaftliche Leistung vollbracht haben, ein breites Spektrum der Kulturgeschichte abdecken und von „ihrem Wirkungskreis her quer über Deutschland“ verteilt sein. Ausgewogenheit im Bekanntheitsgrad und in der Religionszugehörigkeit sowie in der Anzahl von Männern und Frauen war ebenfalls als Auswahlkriterium von der Bundesbank vorgegeben.

Wer nun unter den ersten achtzig Auserwählten später aus dem Rennen fiel, möchte man von seiten der Bundesbank nicht bekanntgeben. Es sollen keine Empfindlichkeiten geweckt werden, schließlich mußte eine Auswahl getroffen werden. „Ein kleiner Hauch Chauvinismus“, so gestand Währungschef Pöhl, „konnte bei der Auswahl der Persönlichkeiten doch nicht unterdrückt werden.“ Fünf zu vier für die Herren ist das Verhältnis auf den insgesamt acht Geldscheinen, denn auf dem märchenhaften Tausender sind gleich zwei, die Gebrüder Grimm, abgebildet. Ob Sterntaler auf der Kehrseite des Tausenders die Quote rausreißt?

Spontan habe Bundespräsident Richard von Weizsäcker geäußert, daß für ihn „Bettina von Arnim die Schönste“ sei, so liest man in der Bundesbankwerbung. Hinter dem netten Kompliment steht vielleicht auch die Bescheidenheit des obersten Repräsentanten der BRD. Bettina von Arnim, als freiheitsliebende romantische Schriftstellerin bekannt, wird auf dem Fünfmarkschein verewigt. Carl Friedrich Gauß war nicht so schön, aber dafür tat er sich mit seinen mathematischen Fähigkeiten hervor. Immerhin hat er den elektromagnetischen Telegraphen erfunden und die Glockenkurve, auch als Normalverteilung bekannt, die es Statistikern ermöglicht, jeden noch so standardabweichenden Menschen einem bestimmten Erwartungswert unterzuordnen. Zehn D-Mark für den Mathematiker. Auf dem Zwanzigmarkschein ist die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff zu bewundern, auf dem Fünfziger der Barockbaumeister Balthasar Neumann. Am wenigsten bekannt ist wohl Maria Sibylla Merian, die schon im 17. Jahrhundert die Natur erforschte und außerdem Malerin und Kupferstecherin war. Wer einmal das Glück hat, einen Fünfhunderter in den Händen zu halten, darf sie kennenlernen.

twas pragmatischer sieht ein junger Wirtschaftsstudent das neue Geld. „Ich gucke auf die Zahlen und nicht auf die Köpfe.“ Auch die Bundesbank legt Wert darauf, daß es sich lediglich um einen Wandel der äußeren Erscheinungsform handele. „Selbstverständlich wird sich durch das neue Banknotenbild nichts am inneren Wert unseres Geldes ändern.“ Wichtig für den „inneren Wert“ jedes Geldscheines, dessen Produktionspreis jeweils 27 Pfennige beträgt, sind dabei lediglich zwei Angaben: der Betrag und die Währungseinheit, Deutsche Mark. Damit ist klar, welchen Anteil gesellschaftlichen Vermögens man gerade in den Händen hält, das Drumherum verbleibt eine Frage der Ästhetik.

Also doch nur „Geldverschwendung“, wie eine junge Frau, zum neuen Design der Scheine befragt, assoziiert? Der ganze Spaß mit dem neuen Geld kostet immerhin eine Milliarde seiner selbst. Die alten Noten gehen seit fast dreißig Jahren „durch die Hände“ ist aus der Bundesbank zu hören, „da will man auch mal wieder etwas Neues“. Man sieht sich's eben über.

Ins Feld geführt werden auch die, die weder die alten noch die neuen Scheine sehen können. Den Blinden sollen Tastmerkmale die Unterscheidung zwischen den neuen Noten erleichtern. Herr Mohr von der Johann-August-Zeune-Schule für Blinde nennt dies „eine Augenwischerei“. Die Blinden konnten ihre Scheine bisher sehr gut über die Größenunterschiede von etwa einem Zentimeter auseinanderhalten. Die unterschiedlichen Maße zur Identifizierung des jeweiligen Wertes werden nun auf acht Millimeter gesenkt. Erfahrungen mit dem holländischen Gulden, dessen Wert schon lange zu fühlen ist, zeigen, daß sich die Tastmerkmale auf den Geldscheinen viel zu schnell abnutzen. Für die Blinden „steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen“, so Mohr.

as eigentliche Motiv, der D-Mark ein neues Outfit zu verleihen, ist die Herausforderung durch den technischen Fortschritt, insbesondere durch die immer perfekteren Farbkopierer, die den Geldfälschern das Handwerk erleichtern. Zwar gilt die D-Mark als eine der fälschungssichersten Währungen der Welt, und die Zahl der sichergestellten Blüten war in den letzten Jahren rückläufig. Aber die Bundesbank möchte „die Nase vorn haben“ und nicht erst „auf gefälschte Geldscheine reagieren“.

Wahrhaft bedrohlich klingt die Aufzählung der absolut unkopierbaren Merkmale der neuen Scheine für die Branche der Geldfälscherei. Da ist zunächst einmal das Papier aus reiner Baumwolle mit seinem „typischen Knistern“. Das traditionelle Wasserzeichen und die verwaschenenFarben bilden nur die zweite Hürde. Aluminiumbeschichtet läuft der neue „Fenstersicherheitsfaden“ jetzt teilweise im, teilweise auf dem Geldschein und erscheint beim Kopieren gemeinerweise als schnöder schwarzer Streifen. Da hilft wohl auch Tipp-Ex nicht weiter.

Der Clou allerdings ist das zerstückelte „D“, das für Deutschland steht. Dieses „D“ wird auf den neuen Noten teils vorne und teils hinten aufgedruckt. Erst wenn man den Schein gegen das Licht hält, erscheint das vereinigte „D“ als vollständiger Buchstabe. Kopiert ergibt dieses „Durchsichtsregister“ nach Expertenmeinung einen schlichten dunklen Fleck. Vom Druckgewerbe außerhalb der autorisierten Zentralbank wird damit absolute Treffgenauigkeit verlangt. Jetzt also hat die Bundesbank die Nase vorn und es gilt auf der anderen Seite den „Durchsichtsregisterkopierer“ zu entwickeln. Pöhl sprach denn auch von „einer Art Rüstungswettlauf“ zwischen Bundesbank und Geldfälschern.

Gegenüber dem gesamten Notenumlauf von 150,5 Milliarden DM per 31.12.89 ist der Anteil der Blüten - 1989 in Höhe von 304.000 DM aus dem Verkehr gezogen - verschwindend gering. Es scheint so, als rüste die Bundesbank einseitig auf. Das Fälschergewerbe jedenfalls bevorzugt den Dollar. Seit Anfang der siebziger Jahre in seiner Funktion als Weltgeld angeknackst, zeigt er sich seit 1928 mit demselben Gesicht. Da weiß man wenigstens, was man zu fälschen hat.

ei der Präsentation der neuen Noten vor etwa einem Jahr, legte Bundesbankpräsident Pöhl Wert auf die Feststellung, daß es nur „rein zufällig“ am selben Tag geschah, an dem auch der Bericht des Delors-Komitees veröffentlicht worden ist. Nach diesem Bericht, der einen Drei-Stufen-Plan für die europäische Währungsunion vorschlägt, soll auf der dritten Stufe eine einheitliche europäische Währung an die Stelle der nationalen Währungen treten. Aber das 1979 gegründete, dreistufig geplante europäische Währungssystem kam sowieso nie über die erste Stufe hinaus.

„Tradition und Fortschritt“, so wirbt die Bundesbank für die neueste Auflage ihrer Währung. Die bedeutenden Persönlichkeiten erinnern an die Phase der Industrialisierung und der ursprünglichen Akkumulation. Die technische Perfektion der fälschungssicheren Noten untermauert die Stabilität der Währung, die als gesetzlicher Auftrag das Handeln der Herren in Frankfurt bestimmt. Wir dürfen annehmen, daß die D-Mark eine Zukunft hat.

Wirklicher Zufall ist das zeitliche Zusammentreffen der neuen Geldscheine mit der Währungsunion der beiden deutschen Staaten. Diese Ausweitung des Währungsraumes der D-Mark konnte zu Beginn des Projekts 1984 noch keiner erahnen. War zunächst auf der Rückseite des Fünfmarkscheines die Abbildung eines Blütenkranzes geplant, der als Titel -Vignette für Bettina von Arnims Briefroman „Clemens Brentanos Frühlingskranz“ verwendet wurde, so wird jetzt daran gearbeitet, die deutsch-deutsche Stimmung einzufangen. Die Umgestaltung läuft nach Auskunft der Bundesbank „in Richtung Brandenburger Tor“.