Unter den Unterröcken der PR

■ Public-Relations-Fachleute trafen sich am Wochenende in Bremen / Motto: „Dialog für Europa“

PR boomt. Den Unternehmen geht es gut und außerdem realisiert man, daß ausgeklügelte Produkt-PR-Kampagnen, wie z.B. ein Colgate-Heißluftballon auf dem Hafengeburtstag, ein Riesenpuzzle von Lüneburg Pilsener, ein Levis-Festival für 14-jährige, eine Sepp-Meier-Tour durch die Supermärkte für Gilette oder eine Anti-Aidskampagne, ungeahnte Erfolge bringen. Die traditionellen Konsumentenhaushalte lösen sich auf, Märkte trudeln, andere schießen aus dem Boden. Die Anforderungen an das Unternehmensimage steigen und Europa '90 und die Noch-DDR fordern zu internationalen Kampagnen heraus.

Der Berufsverband der PR-Leute (DPRG) in Unternehmen und PR -Agenturen traf sich am Wochenende zu seiner Jahrestagung im Marriotthotel. 300 MitgliederInnen waren gekommen, um einer Podiumsdiskussion „Für die Kommunikation im gemeinsamen Europäischen Haus“ zu lauschen. Doch leider verdichtete sich das Thema Europa nur zwischen den beiden Deutschlands, als ein PR-Mann eines Dresdener Motorenwerkes den Goldgräbertreck der Westpresse in die DDR kritisierte. „Lieber Gruner&Jahr als SED“ blökte darauf die Deutsche Welle, und einer vom französischen Radio ließ seine Liebe zum Ellbogen im Kapitalismus ertönen.

Konkreter wurde das Streitgespräch zwischen Journalisten als Vertretern der Wahrheit in der

Öffentlichkeit und PR-Leuten als Interessen-Vertretern von Unternehmen. Ziel war es, das teilweise miese Klima zwischen Un

ternehmern und Wirtschaftsre daktionen zu verbessern. Daß die PR-Leute unter Loyalitätsbefehl stehen und erstere sie deshalb ver

achten und schlecht behandeln, war die einfache Version, die sich im Laufe des Streites vielfältig verkomplizierte. Denn u.a. stellte sich bald heraus, daß der Chef der Wirtschaftsredaktion der WELT, Peter Morner, einer der besten PR-Männer seiner Zeitung ist. Es gebe die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit, habe Adenauer gesagt und die Wahrheit sage er, Morner, auch immer. „Journalisten haben zu schauen, wie sich das Rad der Geschichte dreht. Sie haben nicht einzugreifen, sondern lediglich eine Kontroll-Hilfsfunktion.“

Frau Deckstein vom Spiegel-Büro München sieht Verbesserungsmöglichkeiten des schlechten Klimas zwischen den Zünften. Es werde sich mindestens mittelfristig auszahlen, wenn die Pressevertreter von Unternehmen unverkrampfter und offener aufträten der Presse gegenüber. Den Vorwurf an den Spiegel, gute Informanten wie z.B. Geißler oder Späth zu schonen, klärte sie ein wenig: „Sobald einer, auch der beste Plauderer aus Bonn,

Dreck am Stecken hat, steht er nicht mehr unter Naturschutz.“ So wechselseitigten die Vorwürfe: zum Mauern mancher Unternehmen einerseits und zum Vertrauensmißbrauch und Rausbringen vertraulicher Informationen andererseits. Auffällig oft schnitt Die Welt der kritischen Moderatorin das Wort ab: „Es ist mir egal, ob sie mir glauben oder nicht, gnädige Frau.“ Pee