Bremer Stadtfest: Gefeiert wie gefallen

■ Im Suff ist Bremen immer noch am schönsten: Viele kamen, viele kamen nicht, viele kamen umsonst.

„Toll“, „riesig“, „spitze“ fand's fast jeder, der da und freiwillig gekommen war. Wer's „dröge“, „dreckig“, „drängelig“ fand, machte am Freitag und Samstag vorsorglich gleich einen großen Bogen um die Bremer Innenstadt. Wie jene ältere Dame, die sich gestern erstmals wieder auf die Obernstraße traute und das übrige Wochenende „lieber schön ruhig und ganz solide zu Hause“ ver

bracht hatte.

Nach vier Anläufen in den vergangenen Jahren wissen die BremerInnen allmählich, was sie am Umbau der gesamten Innenstadt zu einer einzigen gigantischen Imbißbude durch einen stadtbekannten Konzert-und Messeveranstalter, genannt Bremer Stadtfest, haben: Platzangst, Pommes-Pappen und Plastik-Pissoirs die einen, Bombenstimmung, Beat

Bands und Bratwurst die anderen. Und letztere lassen sich auch durch ein „paar obligatorische Prügeleieien“ (ein Polizeisprecher) nicht die Sekt-und Starkbierlaune vermiesen. Im Gegenteil.

Toll ist beim Stadtfest: „Daß man im Suff viel leichter Leute kennenlernt“. (Schüler) Nicht so toll ist: „Das ewige Hin-und Herlatschen und anderen Leuten beim

Fressen Zusehen, wenn man selbst keine Kohle hat. Die Preise sind zu hoch.“ (Schülerin). Toll ist: „Wenn man mal mitten auf dem Marktplatz Pogo tanzen kann.“ Nicht so toll ist: „Daß die guten Bands immer erst so spät auftreten.“ Toll ist: „Daß man sich an einem Tag durch die Küche der ganzen Welt essen kann.“ Nicht so toll ist: „Daß wir zu zweit 150 Mark ausgegeben haben und den Rest des Monats jetzt von Bratkartoffeln leben müssen.“ Toll sind: die Umsätze, z.B. am Stand für asiatische Gemüsepfanne. Nicht so toll: „Daß wir für unseren kleinen Stand 1700 Mark Standmiete bezahlen müssen. Toll ist: „Daß wir bis abends um 11 geschunkelt haben - wie früher als ich noch jung war.“ (ältere Dame). Nicht so toll ist: „Wenn man anschließend zu seinem Auto zurückkommt und der Parkplatz war gar keiner.“ (Insgesamt 58 Falschparker schleppte die Polizei ab, bescheinigte dem Stadtfest ansonsten aber einen insgesamt „geordneten Verlauf“.

Weniger gute Noten gab's gestern von den Räumtrupps der Bremer Stadtreinigung. Ab 4 Uhr morgens bemühten sich die Reinigungskommandos mit der oran

gefarbenen Amtstracht im Mehrschichtdienst, die Spuren des Stadtfestes in Bremens guter Stube zu verwischen: „Da ist schon ein ganz schöner Haufen Müll zusammengekommen.“

Mehr als ein paar Müllbeutel fanden gestern auch all diejenigen nicht mehr, die extra von weit her angereist waren: „Wo geht's denn hier zum Bremer Stadtfest?“ fragte ein Hamburger mit enttäuscht-verwirrtem Blick über den nahezu restaurierten Domshof. Weil in Hamburg „ja eh nur tote Hose ist, war er morgens extra angereist und war sich auch durch die Aussicht auf einen Hafa-Besuch nicht mehr zu trösten: „Das kostet ja Eintritt!“ Nicht viel besser gings zahllosen OldenburgerInnen, RastederInnen und LilienthalerInnen bei ihrem knirschenden Sonntagsbummel durch Plastikbecker, Einweglöffel und Aluminiumdosen. Sie alle waren von weither dem Ruf von Buten & Binnen gefolgt, wo am Freitag verraten worden war: In Bremen ist Stadtfest. Es gibt jede Menge zu essen und von Kultur bleibt man auch nahezu verschont. Nur wie lange - das hatten die FernsehkollegInnen vergessen zu erklären.

K.S.