„Wehrdienst hat seinen guten Sinn“

■ In der Zeitung 'Militär-Reform‘ des DDR-Verteidigungsministeriums veröffentlichte Antrittsrede Eppelmanns / Fahnenflüchtige werden von BRD und DDR gemeinsam verfolgt

Rainer Eppelmann, einst weltlicher und geistlicher Beistand von DDR-Totalverweigerern, stellte sich am 2. Mai vor den Kommandeuren der NVA vor - frisch gewendet als „erster Abrüstungsminister dieses Landes“. Mit der Antrittsrede macht der Ex-Pfarrer seinen Offizieren zunächst klar, daß sie weiter gebraucht werden: „Man kann doch nicht träumend sagen, jede äußere Bedrohung für unser Land und Volk sei verschwunden. Als Mann der Friedensbewegung brauche ich diese realistische Einschätzung.“ Und: „(...) der Wehrdienst hat wie jeder Dienst am Gemeinwohl nach wie vor seinen guten Sinn.“

Natürlich lassen sich die Auflösungserscheinungen nicht nur mit hehren Parolen kurieren. Juristische Lücken zwischen dem weltweit liberalsten Zivildienstgesetz - noch vom Runden Tisch verabschiedet - und den Wehrgesetzen sollen geschlossen werden. Auch dürften Zivildienstleistende materiell und finanziell nicht besser gestellt sein als die wehrpflichtigen Soldaten. „Gemeinschaftsunterkunft“ - das heißt Kasernierung für Zivildienstleistende - sei ebenso wünschenswert wie „Reservistendienst“. Das bislang mögliche glatte Wechseln von Wehrpflichtigen aus der NVA in den Ersatzdienst müsse unterbunden werden. Auch dürfe die Totalverweigerung - momentan in der DDR nur mit einer Geldbuße belegt - aus der Armee heraus nicht möglich sein. „Seit dem 18. März gibt es keinerlei politische Gründe mehr für Fahnenfluchten.“

Praktisch hat sich Eppelmann, so läßt er durchblicken, schon längst mit dem BRD-Kollegen Stoltenberg auf die gemeinsame Verfolgung von Fahnenflüchtigen nach BRD-Muster geeinigt. „Wir dürfen dabei die erforderliche Unterstützung von der BRD-Seite erwarten.“ Anscheinend will das DDR -Verteidigungsministerium eine schrittweise Annäherung an BRD-Verhältnisse bei Wehrpflicht und Zivildienst und bei der Kriminalisierung von Totalverweigerern, ganz entgegen der Beschlüsse des Runden Tisches. Eppelmann an die Kommandeure: „Ich erwarte eine herzerfrischende Diskussion ohne Scheu und Scheuklap- pen (...).“

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