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„Grandeurs“ Hufe blieben sauber

■ Thomas Frühmann gewann auf „Grandeur“ das Deutsche Derby, den weltschwersten Parcours

Berlin (taz) - Thomas Frühmann, dem Verkaufsreiter von Alwin Schockemöhle, gelingt zur Zeit alles. Am Dienstag erst hatte der 39jährige die Geburt seines Kindes ohne Nervenzusammenbruch überstanden, um sodann - ganz in Siegerlaune - seinen Lieblingshengst „Grandeur“ zu besteigen und ihn fehlerfrei über den schwersten Parcours der Welt zu lotsen: den 1.230 Meter langen und mit scheußlichen Sprüngen gespickten Weg des Deutschen Derbys in Hamburg.

Und es schien als wüßte der Hengst, daß sein Herr nun ein Maul mehr zu stopfen hat. Während seine Leidensgenossen eifrig Stangen abwarfen, schwebte er über alles hinderliche, als ekele er sich vor den Hölzern: Mutig rannte er den Hügel hinauf, überwand auf dem Gipfel ein Handicap, ließ sich schlau auf dem Schweif den Berg runterrutschen, um ja nicht zu schnell zu sein für den anschließenden hinterhältigen Steilsprung. Über „Pulvermanns Grab“ schien sich der Dunkelbraune ebenso lustig zu machen wie über die berüchtigte weiße Bretterwand, und auch der „große Wall“ war für ihn nicht groß genug. Wen wundert's, denn das Pferd kennt den Parcours mittlerweile auswendig. 1988 gewann er das Derby schon einmal, vergangenes Jahr war er zu langsam und wurde Vierter. Er ist der einzige, der drei Jahre hintereinander fehlerfrei durchs Derby hüpfte.

Sein österreichischer Lenker kennt sich kaum noch vor Glück. Immerhin gehört ihm der Springhengst zur Hälfte, was bedeutet, daß er 50 Prozent der Siegprämie von 40.000 D-Mark zu Frau und Kind heimschleppen darf. Die andere Besitzerhälfte, Alwin Schöckemöhle, freut sich mit: „Wir kommen in Mühlen aus dem Feiern nicht mehr raus“, verkündet er fröhlich mit hähmischem Seitenblick auf seinen Bruder Paul. Weder der noch einer seiner Reiter hat jemals das Derby gewonnen. Was ihn enorm wurmt. Alwin hingegen gewann höchstpersönlich 1957, 1969 und 1971.

Diesmal schickte Schockemöhles Paul den Deutschen Meister Franke Sloothaak und Otto Becker auf die Strecke. Sloothaak legte sich schon in der Qualifikation solcherart flach, daß sein Nasenbein brach. Otto Becker fegte im Finale so schnell über die Stangen, daß sein Schimmel „Benjamin“ in der Eile eine mitnahm. Zwar nahm Pauls Mannschaft noch 23.000 D-Mark mit heim. Aber was schmerzt, ist die Schmach.

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