CSU uneins über ihre DDR-Strategie

■ Ausweitung der Partei oder Unterstützung der DSU / Deutschlandkongreß in München / Stoiber für sofortigen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik / Diestel: Ich oder eine linke Regierung / Präsidium der Liberalen stellt sich hinter den umstrittenen Innenminister

München/Berlin (dpa/taz) - CSU-Vize Edmund Stoiber kann es gar nicht schnell genug gehen mit der deutschen Einheit: Auf einem Deutschlandkongreß seiner Partei in München forderte er die DDR am Samstag zum unverzüglichen Beitritt zur Bundesrepublik auf. Nur eine gemeinsame Regierung könne einen Interessenausgleich aller Deutschen schaffen, erklärte er. Logische Konsequenz: gesamtdeutsche Wahlen so schnell wie möglich. Doch bis dahin muß sich die CSU noch auf ein gemeinsames Vorgehen einigen: entweder weiter auf ihren angeschlagenen Zögling DSU zu setzen, der an der Fünf -Prozent-Hürde zu scheitern droht, oder den eigenen Verein DDR-weit auszudehnen.

Für die CSU-Oberen geht es bei dieser Debatte keineswegs um ein schnödes Kalkül von Stimmen oder die Niederungen der künftigen Parteienlandschaft der DDR, sondern um Höheres, nämlich „die Zukunft Deutschlands“, wie Generalsekretär Erwin Huber zu Beginn des Kongresses in München betonte. Für Stoiber liegt die „Zukunft Deutschlands“ in einer Ausdehnung der CSU auf die DDR. Rechtzeitig zum Auftakt des Kongresses hatte er sich in einem Interview für eine Vereinigung von CSU und DSU ausgesprochen. Die DSU habe als lediglich auf die DDR bezogene Partei keine Wahlchance. Parteichef Theo Waigel, der einer anderen Vision von der „Zukunft Deutschlands“ anhängt, qualifizierte diese Aussage als „persönliche Meinung“ Stoibers.

Waigel geht davon aus, daß bei einer direkten Konkurrenz zwischen CDU und CSU die Verluste höher wären als die Gewinne. Bei dieser Überlegung spielt offenbar auch der Lokalpatriotismus eine Rolle: die Identität der CSU als bayerische Partei. Den CSU-Strategen geht es bei dieser schon seit Wochen laufenden Debatte letztendlich darum, ihren Einfluß in der Bundesregierung zu wahren. Bei einer Kandidatur nur in Bayern droht ihnen hier ein Einbruch. Von den anwesenden DSU-Vertretern auf dem Kongreß sprach sich deren Vize Hansjoachim Walter, einer der Wortführer der Kritik an Innenminister Peter-Michael Diestel, für eine Ausdehnung der CSU in die DDR aus.

Das Selbstbewußtsein des in die Schlagzeilen geratenen Innenministers ist indessen offenbar völlig ungebrochen. In einem Interview mit der 'Welt‘ sprach er von einer Kampagne mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen. Wenn „diese Regierung ausgehebelt wird, dann kommt der Staatsvertrag nicht, dann wird die deutsche Einheit weit zurückgestuft, dann wird hier eine linke Regierung etabliert“, erklärte er. Der Innenminister, der sich solcherart zum Bollwerk gegen alles vermeintliche Übel hochstilisiert, ging auch auf sein Lieblingsthema, das der inneren Sicherheit, ein. Hier machte er eine neue Bedrohung aus: „Waffendiebstähle in großem Umfang“, wobei er den Fall eines Sprengstoffdiebstahls in einer militärischen Einrichtung zitierte.

Rückendeckung erhielt der umstrittene DSU-Politiker, dessen Fraktion ihm das Vertrauen entzogen hatte, jetzt aus den Reihen der Liberalen. Das Präsidium des Bundes der Freien Liberalen (BFD) sprach sich am Freitag gegen einen Rücktritt Diestels aus. Angemessen wäre es, wenn Diestel den Dissens mit seiner Fraktion ausräume und seine Position zugleich gegenüber den Liberalen erläutere. Die Fraktion des BFD hatte ihm ebenfalls den Rücktritt nahegelegt.

Beate Seel