KOMMENTAR: Ein Windjammer
■ Ein stolzes Schiff ist eine schlechte Notunterkunft
Da hat Bremen einen tollen Fang gemacht: Ein spanischer Zweimaster, rundum aus Holz, die Maschine funktionsfähig, voll erhaltene Vertäfelung in der Kapitänsmesse, Masten und Segel einsatzbereit. Und das auch noch für ein Spottgeld. In Stade oder Cuxhaven werden für so ein Schiff Millionen hingeblättert, im billigen Bremen gehts mit ein paar Hunderttausendern. Das einzige Schwesterschiff der Neubremer „Outlaw“ wurde jüngst unter französischer Flagge in Australien gesehen, mitten zwischen den stolz geblähten Segeln von Windjammern aus aller Welt.
Allerdings fehlt in Bremen zur Zeit zufällig gar kein Museumssegler, sondern ganz dringend eine Notunterkunft für obdachlose Drogenabhängige. Macht nichts, müssen sich Therapie-Träger und Sozialsenator gedacht haben, machen wir aus dem einen eben das andere. Der Umbau ist zwar aufwendig, aber in der größten Not geht auch eine klitzekleine Dreierkabine als Notunterkunft durch. Nach einjähriger Verzögerung ist es nun bald soweit: Der stolze Segler kommt an die Kette und die Junkies müssen sich unter Deck zusammenquetschen. Ein richtiger Bremer Windjammer.
Dirk Asendorpf
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