„Hertie-Trio“ vor Gericht

■ „Hertie-Erpresser“: Einer baute Bomben, der zweite deponierte sie, der dritte schrieb Erpresserbriefe / Wegen Polizeischlamperei weitere unnötige Anschläge

Moabit. Die drei „Hertie-Erpresser“ müssen sich seit gestern vor dem Moabiter Strafgericht verantworten. Das Trio wollte im vergangenen Jahr mit Anschlägen auf Kaufhäuser vom Hertie -Konzern fast viereinhalb Millionen Mark erpressen. Die erste selbstgebastelte Bombe ließ das Trio im März letzten Jahres im KaDeWe explodieren, die nächste Anfang Juli vormittags in der Spielwarenabteilung von Hertie in der Karl-Marx-Straße - verletzt wurde niemand. Dann folgten (immer nachts) Hertie Wilmersdorfer Straße, Wertheim, wieder KaDeWe, Hertie in der Karl-Marx-Straße und Hertie-Häuser im Bundesgebiet. Der Schaden ging in die Millionen.

Rudolf L., 38jähriger Inhaber eines Neuköllner Fernsehgeschäftes, legte gestern ein umfangreiches Geständnis ab. Der Bürokaufmann sei von Heinz K. (55), Vorbesitzer des Geschäftes, „in die Sache reingezogen worden“. Er sollte für den langjährigen Freund und den 61jährigen Rudolf G. die Erpresserbriefe tippen, „weil ich am besten Schreibmaschine schreiben kann“. Die Bomben habe Heinz K. gebaut, Rudolf G. habe sie deponiert. Die beiden äußerten sich gestern nicht, wollen später nur zur Sache aussagen.

Die Polizei kam dem Gangstertrio zufällig auf die Spur. Kurz vor einer geplanten Geldübergabe im September in Brüssel telefonierte einer der „Hertie-Erpresser“ mit seinen Komplizen in Berlin und danach mit Hertie in Frankfurt. Was die Bombenleger nicht wußten: Die belgische Telefongesellschaft speichert aus Abrechnungsgründen von jedem Gespräch die Nummer beider Fernsprechteilnehmer.

Die Polizei zeichnete sich in diesem Fall durch eine unglaubliche Schlampigkeit aus. Für den Empfang der Erpresserbriefe wurde eine konspirative Wohnung gemietet (Antworten erschienen als Annoncen in Berliner Tageszeitungen). Als die Wohnung wieder aufgelöst wurde, wurde keine Nachsendeantrag gestellt. Das Gangstertrio bekam keine Antworten mehr, konnte sich das „Schweigen“ jedoch nicht erklären. Weitere Bomben sollten den Konzern „wieder zum reagieren bringen“. In Brüssel ging gleich alles daneben. Die Geldboten stiegen an der falschen Station aus dem Zug, weil der Chef kein Französisch konnte. Durch ein Mißverständnis wurde ein Großalarm der Brüsseler Stadtpolizei ausgelöst. Die Geldübergabe platzte.

Dirk Wildt