Reaktor unter Druck

■ Potsdamer BürgerInnen reichen Klage gegen HMI-Reaktor ein / Auch in der SPD wächst der Widerstand gegen eine rasche Genehmigung des Kernspalters

Potsdam/West-Berlin. Jetzt rächt sich die Kleingeistigkeit, die der Senat in Sachen HMI-Reaktor gegenüber den Potsdamer BürgerInnen an den Tag gelegt hat. Zwei Potsdamer Bürger haben am Freitag offiziell Klage beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in West-Berlin erhoben. Grund: Bis heute habe ihnen der Senat keine Möglichkeit gegeben, im Rahmen eines ausführlichen Beteiligungsverfahrens „umfassend Einwendungen“ gegen das Projekt vorzubringen. Das vom Senat eingeräumte, nur über zwei Monate laufende „informelle Beteiligungsverfahren“ reiche nicht aus, erklärte der West -Anwalt der Potsdamer, Wolfgang Siederer.

Er rechnet damit, daß das OVG die Einsprüche der DDR -BürgerInnen miteinbezieht, wenn es am 5. und 6. Juni die schon seit vier Jahren anhängige Klage von Westberliner HMI -AnwohnerInnen verhandelt. Siederer glaubt, daß das Gericht „bald“ eine Entscheidung über die beiden Klagen fällt, die sich gegen die erste Teilgenehmigung für den Forschungsreaktor richten. AL-Umweltsenatorin Schreyer kann sich nun bestätigt fühlen. Als ihr Wunsch nach einem förmlichen Beteiligungsverfahren für Potsdamer vor zwei Wochen von der SPD-Mehrheit im Senat abgelehnt wurde, hatte die Senatorin sogleich gewarnt: Nun drohten erfolgversprechende Klagen.

Auch aus der SPD bekommt die AL-Senatorin in wachsendem Maß Schützenhilfe. Neben dem seit jeher reaktorkritischen Kreisverband Zehlendorf haben jetzt auch die SPD-Kreise Wilmersdorf und Charlottenburg Schreyers Position unterstützt. In Anträgen für den SPD-Landesparteitag am 29. Juni fordern die atomkritischen SozialdemokratInnen, dem Reaktor keine Betriebsgenehmigung zu verschaffen, solange die Entsorgung der nuklearen Brennstäbe nicht gesichert ist. Bisher habe das Institut kein ordnungsgemäßes Entsorgungskonzept vorgelegt, sagte die Charlottenburger Kreisvorsitzende Sigrun Klemmer zur taz. Die bisherigen Entsorgungspläne des HMI, so der Wilmersdorfer Antrag, genügten „in keiner Weise“ dem Beschluß, den der Nürnberger SPD-Parteitages 1986 gefaßt hatte. Dort hatte sich die Bundes-SPD für eine „direkte Endlagerung“ abgebrannter Kernbrennstäbe ohne Wiederaufbereitung ausgesprochen. Das HMI dagegen plant eine Zwischenlagerung und Wiederaufbereitung seines Atommülls im schottischen Dounreay sowie in den USA.

Glaubt man den SPD-Dissidenten, dann haben die HMI -kritischen Anträge auf dem Landesparteitag im Juni durchaus Erfolgschancen. Er sei da „eher optimistisch“, sagt Nikolaus Sander, Zehlendorfer SPD-Chef und Mitglied des Abgeordnetenhauses. Heute wird Umweltsenatorin Schreyer ihre Position zum HMI vor der SPD-Fraktion vortragen - und dort neben Sander weitere wohlwollende Zuhörer finden. Auch für Joachim Niklas zum Beispiel, den wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, ist es „ganz wichtig“, daß der Senat auf einer direkten Endlagerung der Brennstäbe besteht. Als Wirtschaftspolitiker ist der Abgeordnete zwar durchaus „daran interessiert, daß dieser Reaktor ins Laufen kommt“. Trotzdem will er in der Entsorgungsfrage „keinen Kompromiß“ eingehen. Der Beschluß der Bundes-SPD von 1986 müsse nun „auch in die Wirklichkeit umgesetzt werden“.

hmt