Revival

Jutta Ditfurths Erfolg und die Grünen  ■  K O M M E N T A R

Daß die Starfundamentalistin Jutta Ditfurth gute Chancen hat, über die Landesliste der bayrischen Grünen in den künftigen Bundestag einzuziehen, beschert mehr als nur das Dejavu der Jutta-Otto-Konkurrenz. Schließlich wirbt auch Otto Schily, nun für die SPD, in Bayern um die Gunst der Wähler. Aber es geht nicht um die Pikanterie dieser politischen Wiederholung. Jutta Ditfurth ist auf dem besten Wege, zur dominierenden Figur der künftigen grünen Fraktion zu werden. Ein symptomatischer Vorgang, zumal es mit der Unterstützung eines Realoverbandes geschieht. Bei der deutschen Vereinigung scheint auf eine beängstigende Weise das gute Alte gegenüber dem schlechten Neuen zu triumphieren: das gilt für die wirkenden politischen Konzepte (siehe Staatsvertrag); das gilt für das Wiedererstarken des Parteienmonopols; das gilt für die Mann -schaften, vor allem für die Älteren, die den deutsch -deutschen Geschichtsrausch nachgerade als Frischzellenkur erleben.

Aber symptomatisch ist nicht allein Jutta Ditfurths Rückkehr, sondern die Tatsache, daß die Kandidatenlisten eine bedenkliche Vorherrschaft der grünen Funktionärsapparate offenbaren. Linksradikaler Bürokratismus und fundamentalistische Selbstgerechtigkeit hatten sich ja schon früher blendend vertragen und ergänzt. Jutta Ditfurth scheiterte seinerzeit, weil die Mischung aus Apokalypse und linker Dogmatik, weil die ganze Theorie vom Linken als dem besseren Menschen nicht mehr überzeugte. In den letzten Jahren waren die Grünen mehr an der Debatte als am Rechthaben, mehr an der Freiheit als an der Betroffenheit, mehr an der zivilen Gesellschaft als an der links -alternativen Szene interessiert. Die Protagonistinnen und Protagonisten dieses Prozesses haben sich in das Tempo der deutschen Dinge eingeschaltet, sind darin oft untergegangen, oft verblendet von alten Hoffnungen. Aber sie haben sich eingelassen auf die Veränderungen, im Namen einer wie auch immer brüchigen Vision eines anderen, eines republikanischen Deutschland. Jutta Ditfurth hatte es nicht nötig, sich derart zu engagieren. Ihr reicht die prinzipielle Verurteilung der Einheit, um dann gleich, im Übersprung, für die Zukunft einer geeinten Linken zu „kämpfen“, so wie auch andere eben in der Vereinigung ihr Wichtigstes retten: die PDS ihr Vermögen, Kohl die Macht und die Parteien ihre Stammwähler.

Jutta Ditfurths Revival paßt in die Landschaft: der Versuch der AL, mit neuen Forderungskatalogen sich den Ausstieg aus der Koalition zu erschleichen; der Machtverzicht des Wahlbündnisses90 in Berlin im Namen der politischen Sauberkeit; die Kandidaten für den neuen Bundesvorstand all das ergibt ein Linie. Geschichtsimmune Positionen haben wieder Konjunktur, weil die Geschichte so wenig auf die Linke Rücksicht genommen hat. Die Grünen mit Jutta Ditfurth werden über eine relativ sichere Stammwählerschaft verfügen können, die statt Einfluß Identität, statt Debatten die politische Entlarvung und im übrigen den Trost manichäischer Weltbilder erwarten dürfen. Das Alternative wird verwaltet werden, zum Schaden politischer Alternativen.

Klaus Hartung