Oberst Gaddafi macht's mal wieder spannend

Arabischer Sondergipfel zu besetzten Gebieten eröffnet / Syrien und Libanon schickten keine Vertreter / Zuwanderung sowjetischer Juden nach Israel wichtiges Thema / Araber überprüfen Verhältnis zu Supermächten / Debatte über explosive Lage in Palästina  ■  Aus Bagdad Walter Saller

Unaufhaltsam steigt die Sonne. Die vormittägliche Kühle weicht. Flirrende Hitzewellen steigen vom Bagdader Asphalt und verdrehen sich in die abgasgeschwängerte Luft. Das Leben in der irakischen Vier-Millionen-Metropole verlangsamt sich. Freilich an der Hitze lag es nicht, daß sich auch die Eröffnung des Gipfeltreffens der Arabischen Liga, das PLO -Chef Arafat aufgrund der angespannten Lage in den israelisch besetzten Gebieten gefordert hatte, um einige Stunden verzögerte. Tagten doch die arabischen Potentaten in den wohlklimatisierten Sälen des luxuriösen Bagdader „Konferenz-Palastes“ am linken Tigris-Ufer. Zwar wurde offiziell kein Grund bekanntgegeben, warum der Gipfel erst Montag mittag eröffnet wurde. Aber in Bagdad gurrten es die Tauben von allen Simsen.

Wieder einmal hatte der Libyer Gaddafi für Aufregung und Spannung gesorgt. Nachdem er noch am Sonntag nach Damaskus aufgebrochen war, um den syrischen Präsidenten Assad zum Gipfelbesuch zu bewegen, traf er dann selbst erst am Montag

-akkurat um 12.00 Uhr - in Bagdad ein. „Weitere arabische Führer sind in Bagdad eingetroffen“, titelte der 'Baghdad Observer‘ gestern. In der Tat sind im Laufe des gestrigen Tages 15 Staatsoberhäupter arabischer Staaten angereist. Nur der syrische Präsident Assad mochte noch nicht einmal einen Vertreter entsenden. Syrien und der Irak sind seit langem zerstritten. Trotzdem hatte sich auch Präsident Hussein bis zuletzt um eine Beteiligung Assads bemüht. Auch aus dem Libanon fand sich niemand am Tigris ein. Marokkos König Hassan und Algeriens Präsident Schadli Ben Dschadid entsandten wenigstens hochrangige Vertreter.

Drei Hauptpunkte stehen auf der Tagesordnung des Bagdader Gipfels, der noch bis Mittwoch andauern wird: Die „Verschlechterung der arabischen Gesamtsituation“ und die „zunehmende Bedrohung der arabischen Sicherheit“ durch die rapide Veränderung des Ost-West-Verhältnisses; die „explosive Situation in Palästina“ - zusätzlich brisant geworden durch die Einwanderung sowjetischer Juden nach Israel -, und das „Recht der arabischen Länder auf uneingeschränkte Nutzung der Technik“.

Es wird erwartet, daß die Konferenz in Bezug auf das arabische Verhältnis zu den USA und der UdSSR die Weichen neu stellen wird. Das Ziel des arabischen Gipfels, der unter dem Druck steht, noch vor dem amerikanisch-sowjetischen Gipfel vom 31. Mai eine einige arabische Stimme zu präsentieren, ist freilich durch die syrische Verweigerungshaltung nur schwer zu erreichen. In Bagdad wird gar gemunkelt, Mubarak und König Fahd seien nur erschienen, um wenigstens den Anschein von Einheit zu wahren.