„Grüfo“ in Hamburg darf nicht „grün“ sein

Neue grüne Partei konstituierte sich in Hamburg / Bundeshauptausschuß der Grünen ignoriert die realpolitische Abspaltung der GAL  ■  Aus Hamburg Jürgen Oetting

Jetzt soll es dem „Grünen Forum Hamburg“ (Grüfo) an den Kragen gehen. Nach Angaben der „Grün-Alternativen Liste“ (GAL) hat der Bundeshauptausschuß (BHA) der Grünen am Wochenende erneut festgestellt, daß allein die GAL Landesverband der Partei ist. Laut BHA-Beschluß soll den Grüfos die Benutzung des Namens „Grün“ untersagt werden. Das Grüfo ist eine realpolitische Abspaltung der GAL, es hat sich vor zehn Tagen als Hamburger Landespartei konstituiert und hat derzeit nach eigenen Angaben 120 Mitglieder. Die neue Organisation bezieht sich in ihren politischen Aussagen auf die Bundesgrünen und möchte schnellstmöglich Landesverband der vermeintlichen Mutterpartei werden. Doch die hat das Realo-Balg vorerst verstoßen. Laut BHA-Beschluß soll sichergestellt werden, daß das Grüfo „keinerlei politische und organisatorische Unterstützung vom Bundesverband erhält“. Dem Grüfo sei zu untersagen, sich als Teil der grünen Bundespartei darzustellen und zu bezeichnen. Doppelmitgliedschaften in GAL und Grüfo seien unvereinbar. Damit hat sich der Bundeshauptausschuß der Grünen deutlich auf die Seite der GAL geschlagen, deren Mitgliederversammlung bereits am vorletzten Sonntag beschlossen hatte, Grüfo-Mitglieder aus der GAL und somit auch den Bundes-Grünen auszuschließen. Ob der BHA-Beschluß jedoch zügig vom Bundesvorstand umgesetzt wird, ist offen. Zumindest die VorständlerInnen Ralf Fücks und Ruth Hammersbacher gelten als nicht einmal klammheimliche Grüfo -Freundinnen.

Sabine Koch-Boehlich, Vorstandfrau des „Grünen Forums“, bezeichnete den BHA-Beschluß als „töricht“. Für Grüfos müsse die Mitgliedschaft in der Bundespartei möglich sein. Da viele Grüfos überhaupt nicht mehr auf eine Mitgliedschaft in der GAL erpicht sind - schließlich hatten sie den neuen Verein als Konkurrenzorganisation zu ihr gegründet -, sahen sie sich in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein nach einem zweiten politischen Wohnsitz in einem Landesverband der Bundesgrünen um, damit sie beides sein konnten: nicht mehr in der GAL und immer noch in den Grünen. Ob dieses Manöver nach dem BHA-Beschluß noch hält, ist eine juristische Frage.

Daß die Grüfos auch nach dem Bonner Beschluß weitermachen, ist dagegen klar. Bereits während der Parteigründungsversammlung erklärte Grüfo-Vorständler Kurt Edler: „Für eine Unterstützung der Bundesgrünen wären wir dankbar, doch wir sind nicht auf sie angewiesen.“ Und für Martin Schmidt, einem weiteren Grüfo-Vorständler, ist die Anerkennung als Landesverband nur eine Frage der Zeit. Er vermutet, daß es die GAL bei einer gesamtdeutschen Wahl schon nicht mehr geben wird. Ganz daneben liegt er wohl nicht, denn nach den Abspaltungen der „radikalen Linken“ um Thomas Ebermann und Rainer Trampert und der Grüfo-Realos sowie dem Verlust der Bürgerschaftsfraktion steht die einst kraftstrotzende GAL als politischer Torso da. Selbst führende VertreterInnen des „Linken Forums“, der in der GAL jetzt dominierenden Strömung, machen sich auf Mitgliederversammlungen rar. Sie wollen sich Optionen über die Grünen hinaus offenhalten, eine davon heißt sicher PDS.

Auch die Grüfos haben potentielle Bündnispartner in der DDR entdeckt, derzeit werden erste Kontakte zum „Neuen Forum“ aufgebaut, zu den DDR-Grünen bestehen sie bereits. Drei Mitglieder des ostelbischen Grünen-Vorstandes nahmen an der Grüfo-Parteigründungsversammlung teil. Einer von ihnen, Viktor Liebrenz aus Erfurt, erkannte im Namen „Grünes Forum“ bereits ein Modell für künftige deutsche Oppositionsbündnisse.

Ob das Grüfo bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen in knapp einem Jahr eine Chance hat, wird in der hanseatischen grün -alternativen Szene durchaus kontrovers diskutiert. Viele schätzen, daß die GAL noch einmal auf einer Mitleidswelle in das Stadtparlament reiten könnte. Die Grüfos dagegen müssen mit dem Vorwurf des Verrats leben. Die populärste Reala Hamburgs, Thea Bock, jedenfalls hält die Übernahme der Bürgerschafts-Frauenfraktion durch formal parteilose Grüfo -Symphatiesantinnen und GAL-Aussteigerinnen und auch die Gründung der Konkurrenzpartei für „Putschismus“. Sie ging lieber zur SPD, die sie mit einer aussichtsreichen Bundestagskandidatur tröstete.