Rätsel um Visumpflicht für Polen

Berliner Senat dementiert Meldungen über Visumpflicht ab Juli / Bonn bestätigt jedoch Plan für Einreisebeschränkungen / Supermarktkette Aldi wehrt sich gegen Rassismus-Vorwurf  ■  Aus Berlin Axel Kintzinger

Während der Westberliner Senat Meldungen über eine Visumpflicht für Polen ab dem 1. Juli dementiert, bestätigen Sprecher des Bundesinnen- und -außenministeriums genau diesen Termin. Die entstandene Verwirrung haben gestern die westlichen Allierten komplettiert - sie schwiegen zu dieser Frage. Wie berichtet, soll der Andrang polnischer Bürger nach West-Berlin, der rot-grüne Senat geht von 120.000 Pendlern pro Woche aus, mit der Einführung der Visumpflicht gebremst werden. Vor allem die Westberliner SPD stößt sich an den Masseneinkäufen sowie an vermuteter Schwarzarbeit von Polen.

Die Unklarheit zwischen Bonn und Berlin bezieht sich jedoch nur auf den Termin - über die Einführung der Visumpflicht für Osteuropäer scheint Einvernehmen zu bestehen zwischen der Bundesregierung, dem rot-grünen Senat und den Alliierten. So sollen für West-Berlin künftig dieselben Einreisebedingungen bestehen wie für dir Bundesrepublik. Um den vom Senat erhofften Effekt zu erzielen, muß aber auch die DDR ihre Einreisereglung für Polen revidieren. Bislang brauchen Polen für die Einreise in die DDR zwar kein Visum, aber eine Einladung. Grenzkontrollen an Oder und Neiße finden jedoch nicht oder nur sporadisch statt - und die innerstädtischen Kontrollen Berlins sollen nach dem Willen der beiden SPD-Bürgermeister Momper und Schwierzina so bald wie möglich entfallen. Die in West-Berlin mitregierende AL hatte die geplante Visumpflicht für Polen als „Mief des Nationalismus“ bezeichnet und vor dem Bau einer „Mauer gegen Polen“ gewarnt.

Der polnische Sozialrat verweist auf die im letzten November von Bundeskanzler Kohl und Ministerpräsident Mazowiecki verabschiedete Erklärung „mit dem Ziel, Austausch, Besuchsreisen und Begegnungen zu erleichtern“.

Ein eher weiches Dementi im Zusammenhang mit Polen in West -Berlin kam gestern auch von der Geschäftsführung des Aldi -Konzerns. Eine Einkaufsbeschränkung für polnische Kunden gebe es nicht. Aldi weist seine in langen Schlangen anstehenden polnischen Kunden seit dem Wochenende darauf hin, pro Person nur noch zwei Kartons eines Produktes kaufen zu dürfen. Diese Begrenzung gebe es „seit jeher“, werde jetzt allerdings nur schärfer angewendet. Sie gelte angeblich auch für deutsche Kunden. Durch die für marktwirtschaftliche Verhältnisse ungewöhnliche Anweisung sollen Polen, so die Aldi-Geschäftsführung, nicht benachteiligt werden. Man räumte jedoch ein, daß die Verkaufsbeschränkung im Interesse der deutschen Kundschaft sei, „die angesichts des Käuferanstrums of leere Regale vorfindet“.