Streik der Zeitungsredakteure beendet

Tarifparteien einigten sich: 35-Stunden-Woche bis 1998 und Ausbildungstarifvertrag für Tageszeitungsredakteure / Unerwartet groß war die Kampfkraft der Journalisten, selbst in eher konservativen Redaktionen / Eine Annäherung zwischern DJU und DJV wird erwartet  ■  Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Die Zeit der Notausgaben ist vorbei. Die Tarifparteien einigten sich gestern nach wochenlangen Auseinandersetzungen im Tarifkonflikt um die 12.000 Redakteure der Tageszeitungen. Die Gehälter und Honorare werden danach um 6,8 Prozent, das Urlaubsgeld von 85 auf 100 Prozent erhöht. Die 35-Stunden-Woche soll ab 1.Mai 1998 eingeführt werden. Erstmals wurde auch ein Ausbildungstarifvertrag für Volontäre vereinbart. Nach einer mehr als 40stündigen Sitzung hatten die Tarifparteien einen Konflikt beigelegt, bei dem die Journalisten eine überraschende Kampfbereitschaft gezeigt hatten. In über 90 Redaktionen hatte es Warnstreiks und Urabstimmungen gegeben, darunter auch in solchen, bei denen derartiges auf Grund des politischen Profils ihrer Zeitung nicht erwartet werden konnte.

Hauptkonfliktpunkte waren der Ausbildungstarifvertrag und die Frage, wie die 35-Stunden-Woche umgesetzt werden sollte. Mit dem Ausbildungstarifvertrag verpflichten sich die Verleger, die Volontäre durch mindestens drei Ressorts laufen zu lassen und sie für vier Wochen bezahlt für überbetriebliche Ausbildung freizustellen. Seit 16 Jahren hatten die Gewerkschafter eine tarifvertraglich verankerte Ausbildungsverordnung gefordert.

Bei der Arbeitszeitverkürzung sind die Journalistenverbände weniger zufrieden. Sie wollten freie Tage durchsetzen, um der Aushöhlung der 35-Stunden-Woche zu begegnen. Der Tarifvertrag sieht nun vor, der Zeitausgleich solle „möglichst“ innerhalb zweier Wochen genommen werden. Das Problem dürfte in dem Wörtchen „möglichst“ liegen, weil im Redaktionsalltag der „Sachzwang“ zur „spontanen“ Arbeitszeitverlängerung allgegenwärtig ist. Dennoch haben jetzt Redakteure das Recht, die Arbeitszeitverkürzung in Form von freien Tagen wahrzunehmen. Darin sehen die Gewerkschaften die einzige Möglichkeit, der Ausdehnung der Arbeitszeiten zu begegnen.

Für den stellvertretenden Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Günther Klenke, ist mit der Einigung die „härteste Tarifauseinandersetzung“ seit Kriegsende beendet worden. Für die Gewerkschaften dürfte die erstaunliche Aktionsbereitschaft der Journalisten neue Erkenntnisse für zukünftige Arbeitskämpfe gebracht haben. In diesem Arbeitskampf haben die früher eher verlegertreuen Journalisten bewiesen, daß ohne sie nichts läuft. Die Gewerkschaften haben an Durchsetzungsmacht gewonnen. Gleichzeitig wird erwartet, daß von diesem Arbeitskampf Impulse zur Wiederannäherung der Journalistenverbände DJU in der IG Medien und dem selbständigen Deutschen Journalistenverband ausgehen.