„Es ist wirklich Mallorca, Bananen, GTI und Video“

Gespräch mit Johann Kresnik anläßlich der Tanztheater-Premiere von „Familiendialog“ am Samstag im Concordia  ■  hierhin bitte das

Halbportrait-Foto von dem

Mann mit hellen, dünnen Haaren

taz: Was halten Sie eigentlich von Familie?

Kresnik: Was ich von der Familie halt‘? Ja wenn sie mit Kindern funktioniert, toll.

In „Familiendialog“ funktioniert sie nicht.

Familiendialog ist ein Tatsachen-Stück, das haben Helm Stierlin,

der Familienwissenschaftler -und Therapeut und ich vor zwölf Jahren entwickelt. Diese Familie war bei ihm in Sitzungen. Der Vater war bei der SS, die Mutter beim BDM, Flüchtlinge von drüben, die hier zu mittelständischem Wohlstand gekommen sind. Aber politische Gespräche waren nicht erlaubt. Der Sohn rebellierte, wollte alles gutmachen und wurde vom Vater nicht anerkannt. Er kam dann in die Psychiatrische, wurde als geheilt entlassen, und drei Tage später hat er sich am Gesims aufgehängt. Über Hitler ist dort nie gesprochen worden. Auch heute wird in den Schulen nichts über die jüngere Vergangenheit gelernt, wie es zum Beispiel zur RAF gekommen ist. Manche Leute kommen fassungslos aus der Meinhof-Vorstellung und sagen: Ich hab ja gar nicht ge

wußt, daß die gar nix gemacht hat.

Sie haben jetzt den Berliner Theaterpreis bekommen. Zurecht?

Es ist für mich schon eine akzeptable Ehrung, vor mir waren immerhin Peter Stein und George Tabori und Herrmann, aber ohne meine Gruppe hätte ich das nie erreicht.

Könnte Erfolg Sie bestechen?

Nein. Wie denn?

Naja, daß sie vor lauter Lob hudeln?

Im Gegenteil, ich muß immer aggressiver werden.

Sie sind ja ein Bildermaniac. Fallen einem als Kresnik permanent Bilder ein?

Wenn mir nix mehr einfällt, dann leg ich mir Hitler-Platten auf und schau mir ein paar Nazifilme an, da steigt meine Aggressivität so, daß mir die Bilder gleich so in den Kopf schießen.

Man muß also aggressiv sein für solche Bilder?

Meistens. Und wenn mir nix mehr einfällt, dann hau ich mir eine Flasche Wein rein oder ich sperr‘ mich ein oder ich geh‘ spazieren. Erst wenn der Deckel zugeht, fällt mir gar nix mehr ein.

Denken Sie schon mal darüber nach, daß Sie etwas falsch machen könnten, wenn Ihre Form von Theater zu sehr ankommt?

Die Frage habe ich mir auch gestellt und überlegt: wer geht eigentlich ins Theater? Ich mach‘ ja Theater, was gegen das ist, das die, die unten sitzen, sowieso wissen. Aber ich kann die andern ja nicht reinprügeln. Ich könnte natürlich in der Bayrischen Staatsoper bei einem Gala-Abend sowas machen, bei Sawallisch und solchen Gurkendirektoren! Aber ich spiel‘ nicht gern den Alibi-Chaoten.

Sind Sie einer oder für was halten Sie Sich?

Für einen, der sehr viel nachdenkt, wenn er was macht. Aber für Gurkendirektoren ist ja schon revolutionär, Rumpelstilzchen und die sieben Zwerge zusammenzubringen, weil: Das paßt ja nicht zusammen.

Sie reagieren sehr schnell auf aktuelle Zeitgeschichte.

Es ist sehr schwer, die heutige Gesellschaft anzugreifen, weil ihnen alles wurscht is. Es ist wirklich Mallorca, Bananen, GTI und Video. Mir wird schon sehr schwummrig, wenn ich sehe, wie um Berlin neue Ghettos wachsen, wo DDRler und Rumänen reinkommen und die Polen zum Feindbild Nr.1 werden. Ich war bei Werder Bremen gegen Kaiserslautern im Stadion in Berlin und genau vor mir saßen Skinheads, unheimlich aggressiv, und plötzlich schreien 80 000 mit: Bumm Bumm bumbumbum - Sieg! Bumm Bumm bumbumbum - Sieg! Und wenn das 80 000 schreien, ist das wirklich wie Filme von Hitler.

Leute, die in diesen Tagen was gegen unsere Gesellschaft haben, gelten mittlerweile als Fossile.

Ist ja gut, wenn ich ein Dinosaurier bin. Für mich war zum Beispiel das Berliner Theatertreffen in dieser Hinsicht eine Enttäuschung. Wenn ich seh‘, was da eingeladen wurde, dann hat das nichts mehr mit Kampf und Politik zu tun, sondern wird wieder eine langweilige Soße mit Vogelhändlern.

Warum sind grad Sie jemand, den die Dinge nicht kaltlassen?

Das hat mit meiner politischen Vergangenheit wahrscheinlich was zu tun. Mein Vater ist vor meinen Augen erschossen worden, als ich drei war; mein zweiter Vater war einer der wenigen östereichischen Kommunisten, und mein dritter Vater war Ernst Bloch, mit dem ich neun Jahre ein Vater-Sohn -Verhältnis hatte. Das hat sehr gestärkt. Ich hab ja deshalb 67/68 angefangen, neue Strukturen in die Ballettgeschichte zu bringen. Ich mußte als Tänzer noch zu Aurel von Milos „Maestro“ sagen. Und ich war der erste, der gsogt hot, leck mich am Arsch. Ja, hat der gesagt, Krresnik, wissän sie, wirr dürrfen sie nich ganz ärrnst nehmän, sie warrren immärr ein kleinerr Rrrebäll!

Das gefällt Ihnen.

Nein, ich hab nie drüber nachgedacht. Im Prinzip bin ich keiner. Vielleicht kommt das daher, daß ich ein Südkärtner Bergbauernsohn bin; das sind alles so wahnsinnige Arbeiter.

Mögen Sie das, wenn man mit Ihnen über Sie spricht? Oder sind Sie nicht eitel?

Das ist mir eigentlich wurrscht. Obwohl anerkannt zu werden schon besser ist, als wenn man lauter Mist baut. Fragen: clak