Bremer Ölgeschäfte wie in Dallas

■ Bremer Ölhändler soll 10,7 Millionen Steuern hinterzogen haben / Schmiergelder branchenüblich

Der frühere Ölhändler Klaus-Dieter M., angeklagt wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 10,7 Millionen Mark, warb gestern in der zweiten Verhandlung vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Bremen für Verständnis. „Man ist als mittelständischer Betrieb nur Nachvollzieher von großen Wettbewerbsprozessen. Eine Kalkulation in dem Sinne war gar nicht möglich.“ Ein Ölhändler mit einem Jahresumsatz von 400 Millionen Mark nur ein Spielball der Großen?

Weil das Ölgeschäft schwer kalkulierbar ist, stundet der Fiskus fällige Steuern, bis das Öl weiterverkauft wird. Das aber nur, solange die Firma liquide ist und Einsicht in ihre Bücher gewährt. Die waren im Fall Klaus Dieter M. nicht ganz echt, die Firma ging in Konkurs, ohne die Steuern gezahlt zu haben. Mitschuldig laut Anklage: der Prokurist Hans-Jürgen O., auch auf der Anklagebank.

Den Konkurs, so die Anklage, habe M. anmelden müssen, als er absehen konnte, daß er seinen Verpflichtungen nicht mehr werde nachkommen können. Um aber nach außen hin möglichst lange den Eindruck eines florierenden Unternehmens aufrecht erhalten zu können, zahlte M. offene Rechnungen an die Geschäftspartner prompt, ließ die Banken nicht warten und so ein weiterer Vorwurf der Anklage - nahm sich hunderttausendmarkweise Darlehen von den Geschäftskonten.

Um sich persönlich zu bereichern, bevor der Konkurs unausweichlich wurde? Nein, so der frühere Firmen-Chef, diese Gelder seien als Schmiergelder an die Geschäftsführer von Handelspartnern gezahlt worden, um Preisvorteile zu erwirken. Diese Schmiergelder sind üblich im Geschäft, wissen alle Beteiligten im Gerichtssaal, und können sogar von der Steuer abgesetzt werden.

Die Größenordnung von jeweils etwa 100.000 Mark sei nicht ungewöhnlich, so Klaus-Dieter M. Dem Geschäftsführer einer großen Hamburger Ölfirma bot Klaus-Dieter M. gar eine „stille“ Beteiligung an seiner Firma an.

Aber warum, fragt das Gericht, hat der Angeklagte in dieser Phase, Anfang 1981, als der Konkurs schon abzusehen war, noch Schmiergelder gezahlt, an wen und wofür? Zuerst will M. sich nicht erinnern. Schließlich, nachdem er zugeben mußte, daß er jeweils selbst das Bargeld überreicht hat, zählt er vier mögliche Empfänger auf. Der Zweck der Zahlungen kurz vor der Pleite bleibt im dunkeln.

Auch der Prokurist hat von dem drohenden Konkurs profitiert. Ein Darlehen über 100.000 Mark, das sein Chef ihm gewährt hatte, weil sein „neues Bremer Domizil teurer wurde als geplant“, übernahm der Firmen-Chef zu eigenen Lasten, als der

Prokurist drohte, die Firma zu verlassen. Klaus-Dieter M.: „Ohne ihn hätte es noch mehr Probleme in der Firma gegeben, denn mit den Einzelheiten habe ich mich gar nicht ausgekannt, und ich habe schließlich bis zuletzt an das Fortbestehen der Firma geglaubt.“ Einzelheiten nicht gewußt zu haben, behauptet auch der Prokurist.

Nach dem Konkurs der eigenen Firma - die Staatsanwaltschaft hatte bereits ein vorläufiges Berufsverbot gegen ihn ausgesprochen - schloß Klaus-Dieter M. einen Beratervertrag mit einer Ölfirma ab. Staatsanwalt Lyko: „Es bleibt zu prüfen, ob Sie nicht trotz Berufsverbot der eigentliche Geschäftsführer dieser Firma waren.“ Ein neuer Job als Gegenleistung für alte Schmierzahlungen?

Am Donnerstag wird die Verhandlung fortgesetzt. Da wird es um ein Schweizer Konto und seine Bestimmung gehen. Beate Ram