Keine Zeit für Verweigerer

■ Momper sagte Termin mit Totalverweigerern ab / Justizsenatorin Limbach (SPD): Künftig „in Einzelfällen“ Kompromisse beim Ausfliegen nach Westdeutschland

Der rot-grüne Senat wird nach West-Berlin geflüchtete Totalverweigerer trotz des entmilitarisierten Status der Stadt generell weiter per Amtshilfe in den westdeutschen Knast ausfliegen. Er hat aber in Einzelfällen Kompromißbereitschaft signalisiert. Das ist das Ergebnis eines Gesprächs, das Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) und Innenstaatssekretär Bormann (SPD) am Montag mit dem „Koordinationsausschuß totaler Kriegsdienstverweigerer in der BRD“ und mehreren Unterstützergruppen führten. Eigentlich wollte der Regierende Momper mit den Totalverweigerern reden, wie seit einem dreiviertel Jahr versprochen, doch er hatte wegen der konstituierenden Sitzung der Ostberliner Stadtverordnetenversammlung (TV -Kameras!) abgesagt. Einen neuen Termin hat Momper nicht angeboten.

Wie die Totalverweigerer auf der folgenden Pressekonferenz mitteilten, habe der Senat laut Limbach „erhebliche Bedenken“, bei Totalverweigerern Amtshilfe zu leisten, die Westberliner Bürger sind und denen während der Haft die zweite Einberufung droht. Hier solle „noch einmal geprüft werden“, ob mit einer Auslieferung in diesen Fällen nicht ein Westberliner Bürger der Wehrpflicht zugeführt werde. Daß dies gegen den entmilitarisierten Status der Stadt verstoßen könnte, habe man „erkannt“, man sei hier „nachdenklich geworden“.

Konkret diskutiert worden sei diese Problematik am Fall des im März vom Senat ausgeflogenen Gerhard Scherer, der als erster Totalverweigerer im Knast in Rottenburg/Neckar die zweite Einberufung erhalten hat. Limbach und Bormann hätten zu erkennen gegeben, daß sie auf die baden-württembergischen Behörden und das Bundesamt für Zivildienst „einwirken“ wollten, damit die Zweit-Einberufung zurückgenommen werde. Eine „Auslieferung mit Auflagen“ sei aber innerstaatlich nicht möglich, habe Bormann gesagt. Der Senat sei weiter generell zur Amtshilfe verpflichtet: „Wehrpflicht heißt Amtshilfe, denn ohne Amtshilfe keine Wehrpflicht.“

Als einen weiteren möglichen Kompromiß hätten Bormann und Justizsenatorin Limbach angedeutet, daß der Senat in „Einzelfällen“ bei „befreundeten“, das heißt SPD-regierten Ländern, „intervenieren“ könne „bis hin zur Unterstützung von Gnadengesuchen“. Dies wurde von den Totalverweigerern begrüßt. Sie wiesen darauf hin, daß der Senat davon sofort Gebrauch machen könne. Nämlich beim nach West-Berlin geflüchteten Hamburger Totalverweigerer Heiko Streck, der seit kurzem per Haftbefehl gesucht werde und dem nun das Ausfliegen nach Westdeutschland drohe. Strecks erstes Gnadengesuch sei bereits abgelehnt worden, nun könne der Senat ein zweites Gesuch unterstützen.

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