Neonazi-Partei ist doch nicht verboten

■ Überraschung: „Nationale Alternative“ war nur nicht bei den Kommunalwahlen am 6. Mai zugelassen / Trotz der „Verbreitung faschistischen Gedankengutes“ kein grundsätzliches Verbot / Allerdings wird gegen vier Mitglieder ermittelt / Waffenfunde bei Häuser-Razzia im April

Ost-Berlin. Faschistische Flugblätter, Nazi-Embleme, Waffen und Munitionsfunde reichen nicht: Die neonazistische Partei „Nationale Alternative“ (NA) ist in Ost-Berlin nicht verboten worden. Das stellte gestern die Volkspolizei fest und trat damit Pressemeldungen entgegen, in denen von einem generellen Verbot der Partei berichtet worden war. Ein Polizeisprecher erklärte, daß die neofaschistische Partei lediglich durch die Wahlkommission von den Kommunalwahlen am 6. Mai ausgeschlossen worden war, damit aber nicht generell verboten wurde. Das Büro der NA in der Weitlingerstraße in Lichtenberg dürfe legal weiterbestehen.

Auf das Parteibüro war die Volkspolizei Ende April gestoßen, als sie drei Häusern in der Weidlingerstraße durchsuchte, die von Skinheads und Rechtsradikalen besetzt waren. Damals hatte die Polizei Waffen, Munition, faschistisches Propagandamaterial sowie nazistische Embleme und Fahnen gefunden. Die Durchsuchung stand im Zusammenhang mit schweren Ausschreitungen am 20. April (Hitler -Geburtstag). Rund um den Alexanderplatz hatten sich Rechtsradikale, Fußballfans und Antifaschisten verprügelt. Die Polizei mußte häufig eingreifen.

Die bei der Razzia vorgefundenen Schriften führten zum Ausschluß der NA bei den Kommunalwahlen. Die Vorsitzende der Wahlkommission sprach damals davon, daß die Schriften in vielen Fällen rein faschistisches Material seien. Als besonders schwerwiegend befand die Vorsitzende in einem Panzerschrank gefundene Namenslisten mit sogenannten „linken Feinden“: Namen und Adressen prominenter Linker, Journalisten, der DDR-Regierungsparteien - einschließlich der rechtsgerichteten DSU. In einer Akte waren Treffpunkte von Ostberliner Autonomen verzeichnet. Vor den Kommunalwahlen war auch bekannt, daß die „Nationale Alternative“ Kontakte zur bundesdeutschen neonazistischen „Freien Arbeiter-Partei“ (FAP) und zu anderen rechtsextremistischen Organisationen in West-Berlin und dem Bundesgebiet unterhält. Doch bis heute ist dies offenbar nicht Grund genug, die Partei nicht nur von Wahlen auszuschließen, sondern sie ganz zu verbieten.

Die drei Häuser in der Weitlingerstraße sind nach Polizeiangaben wieder von den Neonazis bewohnt. Näheres war gestern von der Volkspolizei aber nicht zu erfahren. Gegen vier, die bei der Razzia festgenommen worden waren, ist wegen „der Verbreitung faschistischen Gedankengutes in der Öffentlichkeit“ ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Ob sich unter den vieren auch der Vorsitzende der NA und sein Stellvertreter befinden, war gestern ebenfalls nicht zu erfahren.

maz/diak