Volle Bauchlandung

Das Schöneberger Küchenkabinett ist gescheitert  ■  K O M M E N T A R

Die Freude war reichlich verfrüht: Der Plan, den Einflußbereich von drei West-SenatorInnen - darunter ausgerechnet eine von der AL - auf den Ostteil der Stadt auszudehnen, schien den Akteuren genial, scheiterte aber am Widerstand von vier Fraktionen in Ost und West. Daß dieses Vorhaben, wie gestern mehrfach behauptet, am Montag aus heiterem Himmel auf die Ost-SPD herniederfiel, ist ebenso unwahrscheinlich wie unglaubwürdig. Über Nacht sollen angeblich alle staats- und verfassungsrechtlichen Fragen geklärt worden sein und die faktische Vereinigung von Berlin vor Gesamtberliner Wahlen begonnen werden. Alle früheren Beteuerungen, Berlin dürfe der nationalen Entwicklung nicht vorauseilen, sind damit Makulatur. Von der Senatskanzlei wurden keine Bedenken angemeldet. Das glaubt man gerne, liegt doch der Verdacht mehr als nahe, daß der Plan nicht von dem Newcomer Schwierzina ausgeheckt wurde, sondern vom Küchenkabinett im Rathaus Schöneberg - bestehend aus Regiermeister Momper, dem stets im Hintergrund, dafür aber um so wirksamer agierenden Chef der Senatskanzlei, Schröder, den Senatoren Meisner und Nagel, sowie Senatssprecher Kolhoff.

Der Schachzug sollte als genial und „historisch“ verkauft werden, war aber nur dilettantisch und setzte sich über immer noch bestehende verfassungsrechtliche Probleme hinweg. Auf welche Verfassung, so fragt man sich, sollte ein Westberliner Senator in Ost-Berlin einen Eid leisten, und wie kann er zwei unterschiedlichen Parlamenten in zwei noch verschiedenen Staaten verantwortlich sein? Selbst bei der eigenen Fraktion und dem Landesvorstand fiel der Plan gnadenlos durch.

Die Akteure haben sich alles so schön vorgestellt: Zentrale Ressorts wären von vornherein in westlicher Hand, und durch die Hintertür sollte in Ost-Berlin doch noch ein schwarz-rot -grüner Magistrat installiert und die labile Koalition im Westen stabilisiert werden. So war alles nur Getöse. Der politische Schaden wird auf Schwierzina abgewälzt, dem man den Amtsantritt damit nicht gerade erleichtert. Da der ohnehin nur als Übergangskandidat gilt, scheint so etwas erlaubt zu sein.

Die Quittung könnte Momper dennoch auf dem nächsten Landesparteitag bekommen: Der Unmut in seiner eigenen Fraktion ist so groß, daß eine Abwahl als Landesvorsitzender nicht unwahrscheinlich ist. Eines braucht sich die Führungsspitze des Senats nun nicht mehr vorwerfen zu lassen: Daß sie beim Vereinigungsprozeß auf die Bremse tritt. Den angeschlagenen Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine will Momper schon seit Tagen rechts überholen. Nun ist es ihm gelungen - allerdings mit voller Bauchlandung.

Kordula Doerfler