„Umweltunion ist einseitiger Kompromiß“

■ Bündnis 90/Grüne kritisieren den neuen Umweltrahmenrahmengesetzentwurf / DDR wird vom Müllimportland zum Müllexportland gemacht / Ausnahmeregelungen für Atommeiler / Unzureichender Naturschutz mit Rücksicht auf die LPGs

Ost-Berlin (taz) - „Das Anstreben einer Umweltunion ist ein positiver Ansatz, aber es ist ein einseitiger Kompromiß.“ So stellt sich für das Bündnis 90/Grüne der gestern den Parlamentariern vorgelegte Umweltrahmengesetzentwurf dar. Ernst Dörfler, Vorsitzender des Volkskammerausschusses für Umwelt, Naturschutz, Energie und Reaktorsicherheit, sieht im Rahmenentwurf noch etliche Mängel. Seine Vorstellungen und die des Bündnisses sind nicht in dem Entwurf berücksichtigt. Bei der Erarbeitung war er nicht selbst dabei, bürokratische Schwellen legten sich ihm in den Weg.

Dörfler führt aus, wo die Schwachpunkte liegen. Da ist zunächst das Atomgesetz verbunden mit der Ausnahmeregelung, daß allen Atomkraftwerken in der DDR eine Betriebsgenehmigung auf fünf Jahre befristet erteilt wird im Gegensatz zur BRD. Diese Ausnahmeregelung hält Dörfler für besonders kritikwürdig, da dadurch „der Bereich mit dem größten Risiko bereits wieder eingeengt“ werde.

Völlig unbefriedigend stellt sich für Dörfler das Abfallgesetz dar. Das könne bedeuten, daß sich die DDR von einem Müllimportland zu einem Müllexportland entwickle, wenn erst der westliche Verpackungswahn Fuß faßt. Als dringend erforderlich sieht er ein Gesetz über die Rücknahme von Pfandflaschen an sowie eine Verordnung zum grenzüberschreitenden Abfall. In der Bundesrepublik ist ein Gesetz zur Müllverbrennung verabschiedet worden, nach dem in allen Anlagen Müll verbrannt werden kann.

Die Natur- und Landschaftspflege ist in der BRD dadurch geregelt, daß gesagt wird, eine ordnungsgemäße Landwirtschaft entspricht nicht dem Naturschutz. Dazu Dörfler: „Für die DDR stimmt das nicht.“ Für Außenstehende mag sich die Stillegung von landwirtschaftlichen Nutzflächen als Naturschutz darstellen - dafür soll es sogar Prämien geben -, aber in Wirklichkeit gelte es doch die Landwirtschaft zu ökologisieren. Nicht maximale Düngung müsse angestrebt werden, sondern ökologischer Landbau. Nicht maximale, sondern optimale Erträge seien anzustreben. Die Prämien sollten zum Abbau der übertriebenen Technisierung und Düngung ausgesetzt werden.

Zur Umweltverträglichkeitsprüfung hat die DDR einen eigenen Entwurf erarbeitet, der internationalem Niveau standhielt sogar den strengen Richtlinien der EG. Es gelang den DDR -Experten nicht, diesen Entwurf in das Umweltrahmenprogramm einzubringen. „Also wird auch hier das BRD-Recht übernommen“, so Dörfler, „und das bedeutet, daß jene, die in die DDR investieren wollen, recht lockere Bedingungen vorfinden.“

Dem Bündnis 90/Grüne geht es bei ihrer Kritik vorallem darum zu zeigen, daß es noch Alternativen gibt. „Es kann nicht sein, daß wir eine neue Schuld auf uns laden. Gerade die ökologische Verantwortung fordert uns heraus, neue, bessere Ansätze zu suchen“, verlangt der Umweltexperte. Für ihn ist die Abfall wirtschaft nach wie vor ungenügend geregelt. Gerade auf diesem Gebiet will er sich stark machen, wenn am Mittwoch beide Kommissionen über den Entwurf beraten. Die Abfallvermeidung müsse an erster Stelle stehen. Gerade da sei die Bundesrepublik kein erstrebenswertes Vorbild. Es müsse doch möglich sein durch eine Verpackungsabgabe, den Verpackungswahn zu bremsen.

Völlig unzureichend sind auch die Kfz-Grenzwerte geregelt. Gerade hier muß schleunigst etwas unternommen werden, da ab 1.Juli die Benzinpreise fallen. Damit wird das Autofahren noch mehr stimuliert. Seine Fraktion will sich dafür stark machen, daß dieser Beschluß nicht in Kraft tritt. Es sollten eher die öffentlichen Verkehrsmittel gefördert werden, und der Nahverkehr müsse dringend modernisiert werden.

Bärbel Petersen