: „Zusammenführung aller Mitglieder“
Mediengewerkschaft der DDR bildete „Vereinigungsvorstand“ / Durch schnellen Anschluß zur „kampffähigen Gewerkschaft“ / „Keine Zeit für lange Organisationsdiskussionen“ / Gemeinsame Vorstände noch in diesem Jahr ■ Aus Berlin Martin Kempe
Worauf kommt es jetzt an? Die Antwort gab die Vorsitzende Ruth Martin gleich selbst: „Zu allererst eine kampffähige Gewerkschaft!“ Auf dem außerordentlichen Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Kunst, Kultur, Medien der DDR war man sich am Montag in Ost-Berlin auch einig, wo diese kampffähige Gewerkschaft herkommen soll: Denn die Delegierten von rund 80.000 Mitgliedern beschlossen mit großer Mehrheit, die Fusion mit der Industriegewerkschaft Medien der BRD anzustreben. Die Gewerkschaft Kunst, Kultur, Medien der DDR hatte sich als eine der ersten Gewerkschaften nach der Wende zumindest in der Führungsspitze personell erneuert. Die Vorsitzende Ruth Martin selbst kommt aus der Opposition und hatte zu Honecker-Zeiten in einem subalternen Archivjob arbeiten müssen. Dennoch gibt es innerhalb der Mitgliedschaft, unter jenen Gruppen, die die DDR-Umwälzung zuwege gebracht haben, Kritik an der noch ungenügenden Erneuerung der gewerkschaftlichen Strukturen.
Ruth Martin kündigte in ihrem Referat ihre Unterstützung für alle jene an, „die unabhängige, demokratische Gewerkschaften gründen oder die bestehenden Gewrkschaften von Grund auf umgestalten“ wollen. Andererseits bleibt angesichts des Tempos der staatlichen Vereinigung nicht viel Zeit, um unabhängige gewerkschaftliche Strukturen in der DDR aufzubauen. Denn für die schon bald kommende „Auseinandersetzung mit dem Kapital“, so Ruth Martin, sieht die Gewerkschaft ihr Heil in „einer radikalen und schnellen Übernahme der Kampfformen und -methoden der bundesdeutschen Partnergewerkschaft“, also der IG Medien. Zunächst sollen in allen Betrieben und Einrichtungen Betriebs- bzw. Personalräte gewählt und eine Vertrauensleutestruktur aufgebaut werden.
In einem mehrheitlich beschlossenen Leitantrag des Hauptvorstandes werden die Schritte hin zu einer gesamtdeutschen Mediengewerkschaft vorgezeichnet. Der Antrag bezieht sich ausdrücklich auf die aktive Rolle der „Künstler und Journalisten, Arbeiter und Angestellte, Kulturarbeiter aus allen Bereichen“ bei den „revolutionären Veränderungen des Herbstes 1989“. Die Entmachtung des FDGB wird begrüßt. Bei Wahrung der vermögensrechtlichen Ansprüche der Industriegewerkschaften soll der FDGB „schnellstmöglich“ aufgelöst werden. Der Mitgliedsbeitrag wurde entsprechend den Regelungen in der Westgewerkschaft auf 1,2 Prozent des Bruttogehalts festgesetzt.
Auf der obersten Ebene, so der Leitantrag, soll ein „Vereinigungsvorstand“ aus den beteiligten Organisationen gebildet werden, um die Vereinigung der verschiedenen Ost -Gewerkschaften mit der IG Medien vorzubereiten. Aufgabe dieses Vereinigunsvorstandes soll „die Zusammenführung aller Mitglieder und der Vermögen in die IG Medien Deutschland“ sein. Offensichtlich sollen durch diese Art des organisatorischen Zusammenschlusses die Mitgliedsverluste möglichst gering gehalten werden: Die einzelnen Mitglieder müssen sich nicht selbst über ihren Beitritt entscheiden, sondern werden automatisch in die gesamtdeutsche IG Medien übernommen. Der schnelle Weg zur deutschen Einheit, so heißt es in dem Leitantrag, „läßt uns keine Zeit für lange Organisationsdiskussionen“. Noch in diesem Jahr sollen die gemeinsamen Vorstände gebildet werden. Die endgültige Vereinigung soll dann auf einem gemeinsamen Kongreß beschlossen werden. Der Vorsitzende der IG Medien (West), Erwin Ferlemann, plädierte ebenfalls für diesen Kurs.
Zu einer gesamtdeutschen IG Medien würden allerdings noch andere DDR-Gewerkschaften gehören. Klar ist der Vereinigungskurs auch bei der IG Druck und Papier (Ost). Dort sind auch die Journalisten der DDR-Printmedien organisiert. Insoweit befinden sich die meisten Beschäftigtengruppen, die auch in der Bundesrepublik in der IG Medien zusammengeschlossen sind, auf dem Weg in die Einheitsgewerkschaft. Mit einer Ausnahme: Vom DDR -Schriftstellerverband liegt noch keine klare Willensäußerung vor. Aber mit den Schriftstellern hatte sich die IG Medien (West) in den vergangenen Jahren auch schon schwer getan.
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