HINTERHOF-MELODRAM

■ „Du Elvis, Ich Monroe“ von Lothar Lambert

Der Film ist allen unmöglichen Lieben dieser Welt gewidmet!“ Ein schönes und trauriges Motto, das Lothar Lambert da seinem neuen Film Du Elvis, Ich Monroe mit auf den Weg gegeben hat. Nicht zwischen Hollywood und Memphis, sondern zwischen Oppelner Straße und Landwehrkanal im tiefsten SO36 hat Lambert seinen Stoff, aus dem die Herzausreißer sind, angesiedelt, dort, wo er lebt und arbeitet; zwar sind die Schauplätze des Dramas nur die Mülltonnen im Hinterhof, der Hausflur und Altbauwohnungen mit ihren besonders lauschfreundlich dünnen Wänden, was da aber an Emotionen, großen Sehnsüchten und kleinen Hoffnungen drinsteckt, hält locker mit dem Gefühlsaufwand jedes Hollywoodschen Melodrams mit.

Ganz unmöglich und unvorstellbar ist die Liebesbeziehung zwischen dem jungen Araber Tarek und der emanzipierten Türkin Korkmaz eigentlich nicht, aber beide tragen mit ihren Tricks und Macken, Verklemmungen, Neurosen und Erwartungen ordentlich dazu bei, ihre Beziehung so vertrackt wie nur möglich zu vergurken. Kaum ist Tarek ins Hinterhaus, Parterre rechts, eingezogen - bester Blickfang für die neugierige Nachbarschaft - da hat es auch schon beim ersten Rendevous an den Mülltonnen zwischen ihm und der jungen Türkin gefunkt. Sie ist das Enfant terrible des Hauses: völlig abgenabelt von ihren kulturellen Zwängen, lebt sie zusammen mit ihrer Tochter (ohne Mann) und mit den meisten ihrer Nachbarn in Spinnefeindschaft, denn für die ist besonders ihr rege wechselndes Liebesleben Anlaß zu beißendem Klatsch und Tratsch im Hausflur. Besonders produziert sich da Herr Dorn (schön spießig gespielt von Lambert selbst), der als selbsternannter Hüter von Moral und Ordnung mit seinem „guten Geist“ die Nachbarn penetriert. Für ihn sind die mutmaßlichen Exzesse der Frau Korkmaz natürlich immer ein gefundenes Fressen, und als sich dann die Affäre zwischen ihr und Tarek anbahnt, drückt er ganz besonders heftig seine Lauscher an der Wand platt, um nur nichts von der aktuellen Entwicklung der Beziehungsereignisse zu versäumen (Ist das Ihr Privatleben oder sind das Porno-Kassetten, die ich da höre?“) Die Beziehung aber geht ziemlich rasant den Bach runter, weil sich Tarek überstrapaziert fühlt mit ihm fremden Ansprüchen und Erwartungen. Das fängt beim Sex an und geht bis zur Musik, wenn sie sein arabisches Geklimper unerträglich findet und stattdessen einen Elvis aus ihm machen will, der mit ihr selbst als Monroe ein wunderschönes Traumpaar abgibt. Als sie dann überzogen mißtrauisch und eifersüchtig auf Tareks Beziehung zu ihrer Tochter reagiert, verbreitet sich diese Nachricht dank Herrn Dorn in Windeseile, und ein Kinderschänder wohnt im Haus. Das zerschlagene Porzellan scheint nicht mehr zu kitten zu sein, bis die blonde Karin das Dramaduo zum Trio aufstockt. Die Korkmaz idealisiert sie zu ihrer Traum-Monroe, was Tarek, der inzwischen eifrig Elvis auf der Gitarre geübt hat, nicht verpacken kann - eine herzblutende Tragödie bahnt sich an.

Mit typisch hautnaher, schwankender Handkamera heftet sich Lambert an die Fersen seiner Figuren, zeigt sie in ihren Gefühlsverstrickungen liebenswert und abnervend, verletzbar und sehnsüchtig. Mit Du Elvis, Ich Monroe hat er auch ein Stück Kreuzberg porträtiert, das es so vielleicht in ein paar Jahren nicht mehr geben wird; was er um sich herum an Leben beobachtet und empfindet, setzt er direkt um, niemals Gefahr laufend, mit einem Heile-Welt-Bild den Kiez und seine Menschen zu verklären oder als besonders exotisch zu verhökern.

DOA

Täglich im FSK um 20 Uhr, nur heute um 0.30 Uhr