„Helmut Kohl hat auch schon Wahlen verloren“

■ Interview mit dem Generalsekretär der Westberliner CDU, Klaus Landowsky / Spitzenkandidat Diepgen soll die CDU bei Gesamtberliner Wahlen zur stärksten politischen Kraft machen/ Gestern abend war Parteitag der Christdemokraten

An zwei Stellen muß die Westberliner CDU an ihrem künftigen Profil feilen: Zum einen bestehen inhaltliche Unterschiede zur „linken“ Schwesterpartei in Ost-Berlin zum anderen betehen immer mehr Gemeinsamkeiten mit der Hauptkonkurrentin, der Westberliner SPD. Vor dem gestrigen Parteitag sprach die taz darüber mit Generalsekretär Klaus Landowsky.

taz: Herr Landowsky, der Trend geht in allen Metropolen nach links, rechnen Sie damit, daß die CDU Berlin jemals noch allein oder in einer kleinen Koalition regieren wird?

Klaus Landowsky: Ich bin fest davon überzeugt, daß die CDU wieder regieren wird. Und ich bin zuversichtlich, daß sie in einer wie auch immer gearteten Koalition der Stärkere ist.

Auch in einer großen Koalition?

Wir kämpfen um Sieg und nicht um Platz.

Dennoch verhält sich Ihre Partei in letzter Zeit reichlich zahm, bei den großen politischen Themen gibt es scheinbar mit der SPD keine Meinungsverschiedenheiten mehr. Werben Sie um die Sozialdemokraten mit dem Hintergedanken einer großen Koalition?

Mit Sicherheit nein. Wenn Sie sich mal die politische Position der SPD und insbesondere die von Herrn Momper in den letzten sieben Monaten ansehen und sie mit der durchgehenden Position der CDU vergleichen, werden Sie feststellen, daß Sie in der Person des Regierenden Bürgermeisters in allen entscheidenden Fragen der Zukunft der Stadt eine Kehrtwendung um 180 Grad haben.

Die SPD hat sich also der CDU angenähert.

Das kann doch gar nicht zweifelhaft sein. Das ist die Frage der Einheit des Landes, der Stadt, die Frage „Hauptstadt Berlin“, das sind selbst solche Begriffe wie Patriotismus, die Herrn Momper noch vor wenigen Monaten überhaupt nicht über die Lippen gegangen wären und die er heute mit Selbstverständlichkeit gebraucht. Damit haben Sie zumindest eine verbale Annäherung an Positionen, die die CDU seit vielen Jahren vertreten hat: die Einheit der Stadt und der Nation. Die politischen Positionen sind verbal enger beieinander.

Strebt die Westberliner CDU eine große Koalition an?

Nein. Die Westberliner CDU ist der Meinung, daß jede andere Regierung als ein SPD/AL-Senat die Zukunftsaussichten der Stadt verbessern wird. Wir streben eine Regierung unter Führung der CDU an. Welche Koalitionen sich dabei ergeben, ist eine Frage des Wahlergebnisses. Im übrigen hat die SPD auf dem Umweg über Ost-Berlin eine bemerkenswerte Perspektive formuliert. In den Koalitionsvereinbarungen zwischen CDU und SPD steht: „Das Ziel der Koalition ist, in fairer Partnerschaft Berlins Zukunft langfristig zu gestalten und seine Funktion als Hauptstadt für Deutschland und europäische Metropole vorzubereiten.“ Ich glaube nicht, daß das Wort „langfristig“ zufällig gewählt wurde.

Kann die Westberliner CDU überhaupt solche Positionen, wie sie in die Ostberliner Koalitionsvereinbarungen eingeflossen sind - beispielsweise das kommunale AusländerInnenwahlrecht - mittragen?

Diese Koalitionsvereinbarungen sind sicher kein Vorbild für Gesamt-Berlin, und wir als West-CDU würden sie so sicher auch nicht abschließen. Aber sie spiegeln natürlich auch die Mehrheitsverhältnisse der Koalition wider. Es gibt einige Punkte, mit denen wir nicht konform gehen, das betrifft das kommunale Ausländerwahlrecht, aber auch das Medienrecht, die Gesamtschule als einzige Regelschule, die Kennzeichnung der Polizei kommt für uns nicht in Frage, das sind für uns kritische Punkte, und das haben wir auch unseren Freunden in Ost-Berlin gesagt.

Wie war die Reaktion darauf?

Verständig. Man muß sich über diese Dinge austauschen, und ich weiß, daß es in bezug auf das kommunale Ausländerwahlrecht auch nicht die Position der CDU-Ost ist, die hier niedergelegt wurde, sondern eine dominierende Position der SPD.

Möglicherweise war das in einigen Punkten der Fall, dennoch zeigt sich, daß zwischen Ost- und West-CDU einige Dissenspunkte bestehen. Läuft es nicht darauf hinaus, daß die große Westberliner CDU ihre kleine Schwester im Osten positionell schlucken wird?

Nein, das ist eine Frage des fairen Umgangs miteinander. Es wird letztlich eine gemeinsame Willensbildung geben müssen.

Es stehen Gesamtberliner Wahlen an - mit Eberhard Diepgen als CDU-Spitzenkandidat?

Richtig.

Obwohl er die letzte Wahl verloren hat?

Helmut Kohl hat auch schon Wahlen verloren. Ich glaube, daß wir eine reelle Chance haben, bei den nächsten Wahlen mit Diepgen an der Spitze stärkste politische Kraft in der Stadt zu werden und damit auch für die Regierungsverantwortung die dominierende Position einzunehmen.

Woher nehmen Sie diese Einschätzung? Die CDU hat in letzter Zeit nicht allzuviel Profil gezeigt.

Ich bin fest davon überzeugt, daß die Bürger es leid sind, daß über ihre Köpfe hinweg und ohne ihre Beteiligung Entscheidungen gefällt werden, die sie enorm beeinträchtigen. Siehe Verkehrs- oder Wissenschaftspolitik diese Koalition, die wir jetzt haben, hinterläßt bei der Mehrzahl der Bürger den Eindruck, daß es mit dieser Regierung und dieser Politik keine Zukunft für eine Hauptstadt und Metropole Berlin gibt.

Die CDU hat in ihrer Regierungszeit auch keine Volksbefragungen durchgeführt.

Unser Problem war ja eher... Wir hatten zwar die Vision und die Perspektive für die Stadt, vielleicht aber haben wir ein Defizit in der Tagespolitik gehabt. Die rot-grüne Koalition wird der historischen Situation - Hauptstadt und Metropole zu werden - nicht gerecht. Das fängt mit der Frage der Verkehrsanbindung an, geht über den Potsdamer Platz, Wissenschaftseinrichtungen, HMI, Akademie der Wissenschaften - alles Positionen übrigens, die ein rot-grüner Senat im Westen nicht realisieren kann, die aber verdeckt von der Westberliner SPD in die Ostberliner Koalitionsvereinbarungen geschrieben worden sind - bis hin zum internationalen Flughafen in Sperenberg. So etwas wäre von seiten der AL noch nicht einmal diskussionswürdig. Eine Regierungsbeteiligung der AL gibt der Stadt keine Perspektive. Die Stadt braucht eine zukunftsoffene Regierung, die nicht technologiefeindlich ist, die die Stadt wissenschaftlich, technologisch, wirtschaftlich in den Mittelpunkt rückt. Ein rot-grünes Bündnis kann das nicht leisten.

Sie gelten immer als Drahtzieher hinter den Kulissen der Partei; ist es richtig, daß Sie sich darum bemühen, daß Ihr Parteifreund Heinrich Lummer auf den Kreuzberger Platz eins der Landesliste kommt, damit er in ein gesamtdeutsches Parlament rutscht?

Es gibt die Bemühung, ihm einen Wahlkreis zu geben, in dem er die Bürgerinteressen vertritt, und ich trete dafür ein, daß er in einem gesamtdeutschen Parlament vertreten sein wird.

Herr Landowsky, wenn Sie sich irgendeine Position in dieser Stadt aussuchen könnten, welche würden Sie wählen?

(lange Pause) Schwierig - ich habe keinen Ehrgeiz auf irgendeine Position. Ich habe den großen Vorteil, mit meinem Leben relativ zufrieden zu sein.

Interview: Martina Habersetzer