Streik bei „Radio 100“: No news today?

■ Der linksalternative Sender ist bei seinen Hörern zwar erfolgreich, steckt aber in akuten Geldnöten / Nachrichtensprecher fürchten sich vor neuen Gesellschaftern

West-Berlin. Die Nachrichtensprecher des linksalternativen Radiosenders „Radio 100“ werden heute von 6 bis 20 Uhr in den Streik treten. Wie einer ihrer Sprecher der taz mitteilte, sind Verhandlungen des Senders über die Übernahme von Geschäftsanteilen der Grund für die Arbeitsniederlegung. Das in akuten Geldnöten befindliche Radio (wie es heißt, wurden zwei Monate lang keine Gehälter ausgezahlt) soll mit dem SPD-Unternehmen „LR Lokal- und Regionalfunk KG“, Bonn, und dem „Süddeutschen Verlag“ ('Süddeutsche Zeitung‘), München, bereits mehrfach Gespräche geführt haben.

Wie der Nachrichtensprecher von Radio 100 sagte, befürchtet die aus neun Leuten bestehende Abteilung, daß sie bei einer Umstrukturierung des Senders wegrationalisiert wird. „Es gibt zwar verschiedene Modelle dafür, wie die Belegschaft übernommen werden soll, aber in allen bundesdeutschen Privatsendern haben bis auf eine Ausnahme Redakteure die Arbeit der Nachrichtensprecher übernommen.“ Dies kann nun heute auch beim Sprecher-Streik der Fall sein.

„Radio 100„-Geschäftsführer Thimme dementierte bisher gegenüber der taz, daß es Verhandlungen gegeben hat. Er wollte keine Namen nennen und sprach von bloßen „Denkmodellen“. Thimme: „Seit dem 9. November klingeln bei uns die Telefone, weil Leute von außerhalb einsteigen wollen.“ Das SPD-Unternehmen „LR Lokal und Regionalfunk“ hingegen bestätigte durch einen Sprecher, „daß Radio 100 den Wunsch nach Gesprächen geäußert“ habe. Der sozialdemokratische Unternehmensbereich, der über den „Linksrheinischen Rundfunk“ schon einmal an Radio 100 beteiligt war, werde prüfen, „ob man sich gesellschaftsrechtlich wieder engagiert“. Dazu habe es bereits „Kontakte und Vorgespräche“ gegeben. Es gehe dabei um die Anteile des „Mitarbeiter-Vereins“ von Radio 100, der 34 Prozent der Geschäftsanteile hält.

Auch der Süddeutsche Verlag bestätigte gestern, daß erste Gespräche stattgefunden haben. Nun würden die Ergebnisse der Gespräche von der Verlagsseite geprüft. Der Süddeutsche Verlag, der auch am landesweiten Privatsender „Antenne Bayern“ und am Münchner „Radio Gong 2000“ beteiligt ist, halte ein Engagement bei Radio 100 „für sehr interessant“.

Für das gerade in jüngster Zeit nach Hörerzahlen sehr erfolgreiche Radio 100 bedeutet dies eine nicht leichte Entscheidung: Viele Hörer bevorzugen „ihren Sender“ gerade wegen seiner Konzernunabhängigkeit.

kotte