Die Geburt der Kleinfamilie aus der Impotenz

■ Wayne Wangs „Eat a bowl of tea“

Große Filme, so scheint, entstehen heute überwiegend in kleinem Rahmen, außerhalb der gigantischen Kinomaschinerien mit geringem finanziellem Aufwand. Beispiele dafür gibt es genug, von Jim Jarmusch über Kaurismäki bis Kieslowski.

Wayne Wang hat sich schon auf beiden Seiten erfolgreich betätigt: Mit Slam Dance bewies er, daß er dem teuren Produktionsapparat, Stars inklusive, beachtliche künstlerische Ergebnisse abringen kann. Eat a bowl of tea ist nun wieder einer der armen Verwandten.

China Town nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine Alte-Männer -Gesellschaft. Wie es dazu kaum, erzählt eine Stimme aus dem Off: Den Chinesen, die als Arbeiter nach Amerika gekommen waren, war es verboten, ihre Frauen mitzubringen. Erst die neue Generation, die für ihr Vaterland, das nicht das Land ihrer Mütter ist, in den Krieg gezogen war, durfte nun, als Belohnung, aus dem Herkunftland ihrer Väter Frauen nach Amerika mitnehmen.

Während die Stimme noch erklärt, sind die Bilder schon mittendrin. Zwei Väter haben sich getroffen und, wie wir später erfahren, die Heirat ihrer Kinder beschlossen: der amerikanische Sohn, aus dem Krieg zurückgekehrt, soll die chinesische Tochter ehelichen. Der Film erzählt knapp, nur das für die Erzählung Notwendigste wird gezeigt: zum Beispiel sehen wir die Alten, wie sie sich zum Gespräch verabreden, das Gespräch selbst sehen wir nicht. Ebenso verzichtet Wang auf die üblichen establishing shots, deren Bildweite nur die Authentizität der Spielorte beglaubigen soll. Dreimal nur unterbricht er die Handlung durch Panoramaaufnahmen - wie Zwischentitel zeigen sie den Ortswechsel an und sind zugleich ironische, postkartenähnliche Glücksversprechen.

Ansonsten spielt die Handlung in Innenräumen: dort hat sich die Altmänner-Clique gegen die feindliche amerikanische Gesellschaft abgeschottet. Außer den Panoramen nutzt Wayne Wang den (sparsam eingesetzten) Zoom zur Strukturierung seiner Geschichte. Der Zoom setzt Punkte, bringt auf den Punkt. Zum Beispiel das Problem mit der Impotenz. Das junge Paar, der amerikanische Sohn, der zur Hochzeit nach China geschickt worden war, und die chinesische Tochter. Wir sehen nur den Rahmen, die Mauerecken des Flurs, der zum Schlafzimmer führt. Man hört die Stimmen der Jungverheirateten, sieht sie aber nicht: Zoom in das beklemmende Dunkel.

Was vorher geschah: Die Jungverheirateten kommen in Amerika an und werden von ihren Vätern festlich in Empfang genommen. Die Männergesellschaft feiert das Eintreffen einer Frau und belohnt den Jungen mit einem Posten. Alle warten dann auf den eigentlichen Zweck der Veranstaltung: die Kinder.

Druck erzeugt Impotenz, eine bekannte Tatsache, die als Message sowenig taugt wie sie als Klamauk beliebt ist. Wang hat beides vermieden. Humorvoll zeigt er, wie verkrustete Gesellschaftsstrukturen das Neue bis zur Bewegungslosigkeit hemmen können. Und auch hier vermeidet Wang das Klischee, setzt nicht das Innenleben der chinesisch-amerikanischen Gesellschaft gegen das moderne Leben um sie herum. Er zeigt nur die eine Seite und die Probleme des jungen Paars.

Die junge Frau hat ein Verhältnis, sie wird schwanger, die Alten jubeln. Die Affäre wird ruchbar. Zoom auf ihr Gesicht. Es kommt zum Ehekrach, dem heiteren Höhepunkt des Films. Unter zwei Heiligenbildern stehen ihre Koffer, die sie in furioser Slapstickgeschwidnigkeit packen. Swingmusik rhythmisiert ihre Beschimpfungen. Beide sind nicht mehr Opfer: endlich frei. Sie reicht ihm einen potenzsteigernden chinesischen Tee (a bowl of tea)...

Ende mit Familienbild. Noch einmal ein Augenzwinkern des Filmemachers: Die Geburt der Kleinfamilie aus der Impotenz.

Gunter Göckenjan

Wayne Wang: „Eat a bowl of tea“ (englisch mit Untertiteln), mit Victor Wong und Cora Miao, USA 1988, 104 Minuten.