„Es gibt nichts, was schneller gemacht werden könnte“

■ Gespräch mit dem Leiter des Berliner Olympiabüros Hans-Jürgen Kuhn (AL) über den Stand der Dinge und die Attacken der Sportfunktionäre

Hans-Jürgen Kuhn (Alternative Liste) ist als Staatssekretär und Leiter des Olympiabüros der Olympiaverantwortliche im Berliner Senat. Kuhn (36) plädiert dafür, die Planung für Olympia solle ins städtebauliche Gesamtkonzept eingepaßt und Sportanlagen nur soweit neu gebaut werden, wie sie später für die Bevölkerung auch nutzbar sind. Der NOK-Vorsitzende Willi Daume hat Kuhn schon häufig Inkompetenz vorgeworfen und zuletzt in einem 'Sports‘ -Interview Konsequenzen gefordert: „Herr Momper: Befreien Sie uns bald von gewissen Zuständen.„

taz: Die Sache „Olympische Spiele in Berlin“ geht anscheinend ganz langsam den Bach runter...

Hans-Jürgen Kuhn: ...Den Eindruck kann ich nicht nachvollziehen. Seit Monaten ist das Westberliner Olympiabüro dabei, Einzelfragen, die in unserer Machbarkeitsstudie unbeantwortet geblieben sind, zu bearbeiten. Und in Ost-Berlin gibt es ein Büro, das Ende Juni eine Bestandsaufnahme für diesen Teil der Stadt vorlegen will. Anschließend werden Szenarien für Gesamt -Berlin entwickelt. Zugegeben, das klingt nicht spektakulär.

Alles Gesamtdeutsche ist ohnehin kein Spektakel mehr.

Der ursprüngliche Treibsatz für die Spiele als Hebel für die Einheit ist verpufft. Sie könnten nur noch ein Fixpunkt für die Einheit sein, für das Ende des Zusammenwachsens. Aber wir bekommen zunehmend den Status einer ganz normalen Bewerberstadt.

Die Zeit drängt. Bis 1991 müßte die Bewerbung beim NOK fertig sein, 1992 will das IOC alle Bewerbungen auf dem Tisch haben.

Es gibt derzeit nichts, was schneller oder zusätzlich gemacht werden könnte. Daß die Sportstättenverteilung und anderes erst im Herbst angegangen werden können, ergibt die politische Lage, da führt kein Weg dran vorbei. Man kann das bedauern, mehr nicht.

Ein seltsamer Widerspruch: Als politisch Verantwortlicher tun Sie nach eigener Aussage für Olympia, was möglich ist, in der Öffentlichkeit werden Sie als inkompetent oder Bremsklotz gehandelt.

Dahinter steckt vermutlich die befürchtete Kontroverse über verschiedene Konzeptionen, wie Olympische Spiele hier umzusetzen sind. Es braucht nicht viel Phantasie sich vorzustellen, daß die AL als Partei kaum hinter Spielen stehen kann, die wie in Seoul oder Barcelona auf den umfassenden Neubau großer Sportanlagen setzen, bei denen die Nachnutzung für die Bevölkerung möglicherweise nicht gewährleistet ist oder Stadtentwicklung keine vernünftige Rolle spielt.

Willi Daume wirft Ihnen vor, aus Berlin eine „alternative Spielwiese“ machen zu wollen. Ist das nicht sowieso eine einzige Illusion?

Die Analyse der bisherigen Standorte gibt wenige Hoffnung her dafür, daß man es grundsätzlich anders machen kann. Die Bedingungskataloge des IOC und der Fachverbände sind so eindeutig, daß man hier nicht mehr viele Spielräume hat. Wir müßten probieren, aus den besonderen Gegebenheiten der Stadt auch Sonderwünsche bei Sportbauten und Infrastruktur mit dem IOC zu verhandeln. Ohne diese Hoffnung würde das Ganze für die AL keinen Sinn machen.

Ohne enge Zusammenarbeit mit dem NOK ist eine Bewerbung chancenlos, und es ist ein offenes Geheimnis, daß zwischen Olympiabüro Berlin und NOK Funkstille herrscht.

Die Bewerbung ist nur denkbar mit einem Konzept, das vom NOK unterstützt wird. Wir haben uns bemüht, Gespräche zu führen, aber wir wissen auch, daß es dort Reserviertheiten und Ablehnung gibt.

Die rot-grüne Koalition birgt ja genug Konfliktstoff. Wie weit ist Olympia ein Thema?

Die AL hat sich in Bezirksgruppen mit dem Thema Olympia befaßt, ohne daß eine klare Linie erkennbar geworden wäre.

Der Bezirk Wedding wird auf der Mitgliederversammlung am 15. Juni den Antrag stellen: Grundsätzlich Nein zu Olympia.

So ein Beschluß wäre ein weiterer Streitpunkt in der Koalition...

...Und das Ende vom kurzen Traum anderer Spiele. Der Abschuß von Staatssekretär Kuhn wäre im NOK-Interesse eines reibungslosen Ablaufs.

Die Frage Kuhn oder jemand anderes hat einen unangemessenen Stellenwert bekommen. Sie verdrängt leider die entscheidende Frage. Unter welchen Bedingungen können Olympische Spiele in städtischen Ballungsgebieten durchgeführt werden.

Wenn Berlin olympischer Gigantismus droht - ein neues Großstadion zum Beispiel - wie in anderen Städten, würden Sie dagegen harte Oppositionspolitik machen.

Ja, das wäre eine Konsequenz.

Interview: -thöm