Zwischen Festen und Befrackten

Aus dem Alltag einer taz-Korrespondentin  ■  Aus Madrid Antje Bauer

Im Winter ist die Sache noch einigermaßen in den Griff zu kriegen. Zwar reiht sich da in Madrid ein Jazz-Festival an ein Flamenco-Festival an ein internationales Theater -Festival, doch diese Lustbarkeiten hindern die Korrespondentin nicht zwangsweise daran, etwa an der Uni Vorträgen anarchistischer Professoren über die 500-Jahrfeier der Entdeckung Amerikas zu folgen, langweilige Wahlkampfveranstaltungen zu besuchen oder mal kurz zu den streikenden Fischern in Andalusien zu düsen. Ab April hingegen sieht sich die Berichterstatterin ständig dem immergleichen Dilemma ausgesetzt, der Frage nämlich, ob es wichtiger ist, zu einer Parteikonferenz, einem Gewerkschaftskongreß oder einer Europaratstagung in Lissabon zu fahren, wobei sich in der Regel zunächst die Berichterstatterin und danach die Leserin langweilen würde, oder ob sie auf den unzähligen Festen dem Volk aufs Maul schaut, was dann aber die Redaktion nicht interessiert. In der Osterwoche etwa fällt die Politik weitgehend flach, weil sich alles, was ein Auto hat, aufmacht, um eine Woche in den Bergen oder am Meer zu verbringen, so daß sich die tazlerin eigentlich beruhigt in Andalusien ansehen kann, wie tagtäglich Hunderte von Madonnen im Schwingschritt durch die Straßen getragen und besungen werden. Nur daß der sozialistischen Gewerkschaft UGT einfallen muß, ihren Kongreß ausgerechnet in diesen Tagen abzuhalten, so daß die tazlerin, sherrybeseelt, jeden Morgen besorgt die Zeitung aufschlägt in der Befürchtung, Nicolas Redondo sei von seinem Posten als Generalsekretär der UGT zurückgetreten oder ähnliche Katastrophen das Arbeiten unerläßlich machen mögen.

An die Anstrengungen der Osterwoche schließt sich in Sevilla nahtlos die Feria an, am Ostersonntag wird in der Arena „La Maestranza“, der erste Stierkampf des Jahres, abgehalten. Die Madrilenen hingegen gönnen sich zwei Wochen Atempause, denn diese durchfeierten Nächte sind nicht nur feucht, sondern auch ausgesprochen lang, doch Anfang Mai winkt schon der nächste Puente, die liebliche Brücke zwischen zwei Feiertagen, die den dazwischenliegenden Werktag einfach ignoriert: Am 2. Mai wird der Aufstand der Madrilenen gegen Napoleons Truppen gefeiert, das Fest geht von Freitag nacht bis Mittwoch morgen und ist randvoll mit Konzerten, Volkstänzen, Massensuppenessen auf der Plaza Mayor, der Bürgermeister spricht zu den Seinen.

Noch kaum von den Strapazen erholt, naht der dritte Puente: Es ist das Fest des Schutzpatrons von Madrid, des Hl. Isidor, der ein Bauer war, und wie es sich auf einem Dorf gehört, muß das eine Woche lang gefeirt werden - s. o. Unweigerliche Begleiterscheinungen dieser Festivitäten sind lange Autoschlangen am Freitag aus der Stadt heraus und am Dienstag wieder hinein, die Unmöglichkeit, mit offiziellen Stellen Kontakt aufzunehmen, da in diesen Tagen alles der Wiedererlangung der Kräfte für die Nacht gewidmet ist, sowie die Schwierigkeit, nachts um vier einen Fuß in die Stammkneipe zu kriegen; die nimmt allerdings beim dritten Puente in dem Maße ab, wie der Geldbeutel schrumpft.

In Andalusien gehen unterdessen die Feste weiter, dieses Jahr ohne die eigentlich unerläßlichen Pferde - aufgrund der endemischen Pferdepest. Seit Wochen sind von Madrid südwärts sämtliche Jeeps vermietet, um die Pferde zu ersetzen. Im Dorf Anchuras in den Bergen von Toledo findet ein Solidaritätsfest statt, um daran zu erinnern, daß die Einwohner noch immer gegen die geplante Einrichtung eines militärischen Schießplatzes dort kämpfen, und schon nähern sich die San Fermines in Pamplona, während derer Tausende morgens vor freigelassenen Rindern durch die Straßen der Stadt rennen - da lobe ich mir doch zwischendurch einen Empfang in der deutschen Botschaft in Madrid, auf dem Militärs hastig ihr Lametta vor dem plötzlichen Regenguß in Sicherheit bringen müssen und das Büffet rasant unter den Tischen verschwindet... Der Anblick der livrierten Diener und der schwarzbefrackten Schmerbauchträger läßt den eigenen Schreibtisch plötzlich als einen lieblichen Ort erscheinen und fördert somit die Arbeitsmoral.