Billiger Brennstoff

In dänischen Kraftwerken wird Fischöl verfeuert  ■  Mit dem Fischgericht auf Du und Du

Kopenhagen (taz) - Was vor drei Jahren, nach einem starken Preisverfall für Fischöl, bescheiden begann, ist zum lukrativen Geschäft geworden und empört jetzt die dänische Öffentlichkeit: Fische, zu Öl gepreßt, werden in immer stärkerem Maße in Heizkraftwerken verfeuert. Im letzten Jahr gingen bereits 500.000 Tonnen durch die Schornsteine. In den Zeitungen ist nun eine Debatte darüber ausgebrochen, ob es angesichts des Hungers in der Welt vertretbar sei, daß in Dänemark Lebensmittel schlichtweg in Flammen aufgehen.

Das Fischöl ist ein Nebenprodukt der Fischmehlherstellung. 80 Prozent des gesamten von dänischen Fischern angelandeten Fischs landet nicht in Kochtöpfen, Konserven oder Schraubgläsern, sondern wird gepreßt und zu Tierfutter vermahlen. Dabei fällt auch das Fischöl an, dessen Gewicht etwa zehn Prozent des ursprünglichen Fischgewichts entspricht.

Die Antwort der Fischindustrie und der Kraftwerksbetreiber auf die Kritik ließ nicht lange auf sich warten: Es gebe einfach keinen anderen Absatzmärkte für Fischöl. Selbst wenn die nährstoffreiche Substanz an bedürftige Länder verschenkt werden sollte und Preiserhöhungen für Hunde-, Katzen- und Hühnerfutter in Kauf genommen würden, sei niemand bereit, die Transportkosten zu zahlen.

Vor allem der ökonomische Anreiz für das Verfeuern ist groß: Eine Tonne Fischöl ist 250 DM billiger als eine Tonne Heizöl, und Fischöl ist nicht mit der Energiesteuer belegt eine Ersparnis von weiteren 500 DM pro Tonne.

Einige Fernwärmewerke hatten bereits zuvor Erfahrungen im Verheizen von Lebensmitteln gesammelt: mit Überschußgetreide aus Schweden. Aufgrund heftiger Proteste beschloß daraufhin die dänische Regierung eine Zusatzabgabe auf derartiges Heizmaterial, was das Interesse der Kraftwerke an dem angeblich dem Verderb ausgesetzten Überschußgetreide augenblicklich auf Null sinken ließ.

Möglicherweise steht nun auch wegen des Fischöls ein baldiger gesetzlicher Eingriff bevor. Die EG-Bürokraten in Brüssel wollen die Grenzziehung zwischen „Industriefisch“ und „Konsumentenfisch“ nämlich nicht verstehen, ebensowenig die anderen Fischereinationen der EG. Fisch ist für sie Fisch und darf, auch wenn angeblich im Überfluß vorhanden, nicht verheizt werden. Nun wird in Dänemark darüber gerätselt, auf welchen Brennstoff die Kraftwerksbetreiber als nächstes verfallen werden.

Reinhard Wolff