„Vernetzen nur um des Vernetzens willen?“

■ Die „Initiative für Unabhängige Gewerkschaften“ in der DDR hat Probleme: Der FDGB ist kein Gegner mehr, den ins Haus stehenden neuen Dachverband, DGB, kennt man nicht / Sollen Basisbewegungen weiter vernetzt werden, wenn die Perspektive bis jetzt noch unklar ist?

Die jetzige Situation der „Initiative für Unabhängige Gewerkschaften“ (IUG) ist symptomatisch für Teile der DDR -Linken. Überholt durch die deutsch-deutsche Entwicklung, sind aus den Vordenkern der November-Revolution Nachdenker geworden, aus der DDR-überregionalen Initiative ein Ostberliner Diskussionszirkel. Die Stimmung unter den IUG -„Aktivisten“ ist depressiv. Wie soll es weitergehen, wo es so gut angefangen hat?

Gefunden hatte sich die IUG, ein loses Bündnis gewerkschaftlich interessierter KollegInnen aus dem Umkreis des Neuen Forums, der Vereinigten Linken und der Syndikalisten, im vergangen Oktober. Der Minimalkonsens war, daß der FDGB „mitnichten den Bedürfnissen seiner Mitglieder entsprach“. Die IUG wollte die arbeiterfeindlichen FDGB -Strukturen umkrempeln, nicht durch einen neuen Apparat, sondern „durch aktive gewerkschaftliche Selbstorganisation an der Basis“. Das Anfangsinteresse machte den Initiatoren Mut. Im Berliner Kontaktbüro gaben sich FDGB-müde Kollegen aus der ganzen DDR die Klinke in die Hand. Ihre Flugblätter und das eigene Informationsorgan fand reißenden Absatz. In Leipzig, Dresden, Zwickau, Berlin gründeten sich Basisgruppen, überall bildeten sich, als Protestbewegung gegen die traditionellen Betriebsgewerkschaftsleitungen, autonome Betriebsräte. Die Welle von spontanen Streiks im Januar ermunterte die IUG sogar, über die Gründung einer „Unabhängigen Gewerkschaft“ nachzudenken.

Zur Gründung kam es nicht mehr, es blieb bei der Initiative, und selbst deren Zukunft ist ungewiß. Der FDGB wendete und wandelte sich, im September wird der Dachverband aufgelöst. Und nicht zuletzt: Bald gibt es überhaupt keine selbständigen DDR-Gewerkschaften mehr, die Vereinigung der Ost-West-Verbände steht vor der Tür, und der DGB wird gesamtdeutsch. Die Frage, die es deshalb für die IUG heute zu lösen gilt, ist die, ob die Gründungsidee, „Basisbewegungen zu vernetzen“, immer noch die Aufgabe ist, oder ob das alte Ziel heute nicht in das sektiererische Abseits führt.

Eine Strategiedebatte im „Kontaktbüro Frankfurter Allee 286“ sollte Klarheit bringen. Eingeladen wurden am Mittwoch all die vielen „Aktivisten“, deren Wißbegierde man früher kaum hatte stillen können. Diskutiert werden sollte auf dieser ersten überregionalen Zusammenkunft die „Demokratisierung der Gewerkschaften“. Vorbereitet werden sollte ein überregionales Treffen mit BRD -Gewerkschaftsoppositionellen. Die Entäuschung der IUG -Aktiven war groß, statt der erwarteten Multiplikatoren aus der gesamten DDR erschienen zehn Berliner, darunter drei aus dem Westteil. Die brachten mit Analysen zur „falschen Kaufkrafttheorie“ der BRD-Linken die Debatte auch gleich ins Abseits. Sie kritisierten eine bundesdeutsche Gewerkschaftsbürokratie, deren Strukturen für die ostdeutschen Basisgewerkschaftler noch undurchschaubar sind. Das ging den DDR-Aktiven aber nun doch zu weit. Ihre tägliche Erfahrung, daß die eigenen KollegInnen die Westgewerkschaften mit offenen Armen empfangen, der gewerkschaftliche Anschluß keine Demütigung, sondern Hoffnungsschimmer ist, kollidierte mit der vom Westen geforderten revolutionären Perspektive. Geht es nicht an der Basis vorbei, den Kollegen vorzuschlagen, einen kritischen Blick auf den DGB zu werfen, wenn die Freude groß ist, daß endlich einmal eine „richtige Gewerkschaft“ kommt? Kann man denn Basisbewegungen, sofern es die noch gibt, vernetzen, „nur um des Vernetzens willen“? Reicht eine Kritik am DGB aus, um sich noch als „Initiative für Unabhängige Gewerkschaften“ vor den KollegInnen zu legitimieren? Fragen, die unbeantwortet blieben; die Unsicherheit über die eigene Perspektive ist groß. Beschlossen wurde endlich, kleine Brötchen zu backen: Das Treffen mit BRD-Oppositionellen am 27.Juni wurde auf ein Berliner Meeting zurechtgestutzt, statt Information für die Kollegen ist Selbstaufklärung angesagt.

Anita Kugler