Fast alle für den Staatsvertrag

■ Große Einigkeit im Abgeordnetenhaus: Staatsvertrag muß am 1.7. in Kraft treten / Nur die AL hat Bedenken / Einigkeit auch bei Berlin-Hilfe und Berlin-Förderung

Schöneberg. Auch in der gestrigen Plenarsitzung des Westberliner Abgeordnetenhauses stand Gesamtdeutsches als Thema Nummer eins auf der Tagesordnung: In einer von den Koalitionsfraktionen beantragten Aktuellen Stunde wurde der Staatsvertrag mit der DDR und dessen Auswirkungen auf den Berliner Haushalt behandelt. Die Mehrzahl der RednerInnen der vier Fraktionen beschäftigte sich nur am Rande mit diesem Thema und benutzte die Debatte vielmehr zum Austausch von Parteipolemik, da man sich in der Sache ohnehin einig ist.

Einig war man sich im hohen Hause, daß die Wirtschafts-, Währungs-, Sozial- und Umweltunion am 1.Juli in Kraft treten müsse und daß überhaupt nicht daran zu denken sei, kurzfristig die besonderen Berlin-Förderungen und die Berlin -Hilfe zum Landeshaushalt abzubauen. Der SPD -Fraktionsvorsitzende Staffelt betonte zwar die SPD -Forderung nach sozialen Nachbesserungen, hatte sonst am Vertragswerk aber nichts auszusetzen. Es bedeute vielmehr Ruhe und ein Stück Sicherheit für Berlin, daß ab 2.Juli die Einheit faktisch bereits praktiziert werde. Scharf griff Staffelt CDU-Generalsekretär Landowsky für dessen Gleichsetzung der SPD mit der PDS an, die er in der Vergangenheit mehrfach öffentlich geäußert habe. Er forderte die CDU dazu auf, sich endlich dafür einzusetzen, daß das Stasi- und PDS-Vermögen enteignet werde. Der Geschäftsführende Fraktionsvorsitzende der CDU, Buwitt, polemisierte gegen die Teile der SPD, die ein Inkrafttreten des Staatsvertrages verzögern wollen, übersah dabei aber großzügig, daß die Berliner SPD keineswegs diesen Kurs fährt. Die deutsche Einheit bezeichnete er als „Zugewinngemeinschaft mit hoher Rendite“.

Von seiten der AL wurde erneut deren Forderung nach einer Ausdehnung der Arbeitnehmerzulage auch für DDR-BürgerInnen erhoben. Ihr Abgeordneter Köppl sprach sich erneut für eine verstärkte Investitionsförderung zur ökologischen Sanierung von DDR-Betrieben und für Länderstrukturfonds für die künftigen DDR-Länder aus. Der Staatsvertrag, so Köppl abweichend von seinem Redemanuskript, sei in seiner jetzigen Form abzulehnen. Strikt abgelehnt wurde der Vertrag dagegen von seinem Fraktionskollegen Statz.

Finanzsenator Meisner bekräftigte die mehrfach gestellte Forderung des Senats, die Berlin-Förderung und die Berlin -Hilfe aus Bonn nicht abrupt abzubauen. Die Belastungen des Berliner Landeshaushalts durch den Deutschlandfonds für die Länder, der bis 1994 aufgelegt wird, betragen nach Meisner 3,3 Prozent. Im Jahr 1991 müsse Berlin 34 Millionen Mark zu dem Fonds beitragen. Sollte 1992 die Vereinigung noch nicht vollzogen sein, werde Berlin in diesem Jahr mit 80 bis 90 Millionen Mark belastet. Trotz aller Probleme, die auf Berlin zukommen, freute sich Meisner auf die Zukunft: „Es ist die schönste politische Aufgabe, die ich mir vorstellen kann, die Einheit meiner Vaterstadt zu erleben.“

kd