Die Mauer geht, doch die Kontrollen bleiben

■ Bauunternehmer zu kostenlosem Abriß bereit / Momper kritisiert Paßkontrollen

Berlin. Die Mauer verschwindet, doch die lästigen Kontrollen bleiben. Zwar hat die Regierung der DDR jetzt endlich das Okay zur Öffnung aller Straßenverbindungen von Ost nach West gegeben, die bisherigen Regelungen im Reise- und Besucherverkehr sollen aber auch nach dem 2.Juli noch gültig sein. Diese Tatsache wurde gestern vom Bürgermeister Momper scharf kritisiert. Es könne „nicht das letzte Wort“ sein, daß die Kontrollen aufrechterhalten werden sollten. Es sei absurd, daß nicht alle Verbindungswege zwischen Ost und West genutzt werden könnten, „nur weil die DDR-Regierung krampfhaft an der Fiktion einer kontrollierbaren Grenze festhält“.

Die Bevölkerung habe kein Verständnis für diese bürokratischen Prozeduren und dadurch oft verursachten Wartezeiten. Noch weniger Verständnis gebe es dafür, daß die hohen Kosten für die Kontrollen nach dem 2.7. von den westdeutschen Steuerzahlern getragen werden müßten, erklärte Momper. Bundesinnenminister Schäuble (CDU) und DDR -Innenminister Diestel (DSU) sollten die Wochen bis zur Währungsunion nutzen, um eine „Einreiseunion“ herzustellen.

Die Wiederherstellung des alten Berliner Straßennetzes macht einen tiefen Griff in die Senatskasse erforderlich. Mindestens 38 Millionen Mark, so Bausenator Nagel (SPD), kostet allein die Sanierung der über 100 Straßenteilstücke. Die Kosten für das Abtragen der Mauer sind darin noch nicht enthalten. Allein im Bezirk Neukölln, wo 20 Straßen angeschlossen werden müßten, hat die Bauverwaltung vier Millionen Mark veranschlagt. „Die Summe können wir nur vorstrecken. Wenn wir das nicht zurückkriegen, sind wir pleite!“, meint ein Mitarbeiter des Baustadtrats dazu. Ob der Bausenator die Kosten für die größte Abrißaktion der Nachkriegszeit übernehmen wird, konnte man in seiner Verwaltung gestern noch nicht bestätigen. „Da müssen wir uns erstmal zusammensetzen“, erklärte ein Sprecher dazu.

Um die Kosten niedrig zu halten, hat DDR-Regierungssprecher Gehler an Westberliner Baufirmen appelliert, sich an den Arbeiten kostenlos zu beteiligen. Wer abreißt, dürfe daür drei Segmente aus der Mauer mit nach Hause nehmen. Der Sprecher des Fachverbandes Bau - die Arbeitnehmerorganisation der Branche - , Rüger, dazu: „Ich hatte heute schon zwei Anrufe von Bauunternehmern, die das machen würden. Die DDR-Regierung muß mir nur endlich mal sagen, wo ich die hinschicken soll!“ Einer der beiden Anrufer war Harald Köhler (46), Chef eines 90 Mann großen Tiefbauunternehmens. Köhler, der 1972 von Ost- nach West -Berlin flüchtete und in Tempelhof den von seinem Urgroßvater gegründeten Betrieb übernahm, steht mit seiner Truppe am 10.Juni zur Verfügung. „Wir haben hier alles: Kran, Bagger, Raupe. Das machen wir kostenlos. Die müssen mir bloß sagen, wo ich anfangen soll.“

Neben Köhler erklärten sich gestern auch noch weitere Bauunternehmer bereit, die Mauer zu schleifen. Da die Arbeiten nicht ganz ungefährlich seien und Baumaschienen beschädigt werden könten, müßte aber für einen Versicherungsschutz gesorgt werden, sagte Rüger vom Fachverband Bau.

ccm