Keine Macht den Drögen!

Beim 1:0 gegen Dänemark greifen die Zuschauer verzweifelt zu „la ola“ als Hilfe zur Selbstunterhaltung, derweil Franz Beckenbauer Biographen Rätsel aufgibt: Ist er Demokrat, Kommunist oder nur schwach?  ■  Aus Gelsenkirchen Herr Thömmes

Guter Guido, glücklicher Guido. Er hat, so scheint es, als einziger einen Stammplatz sicher. Durfte neunzig Minuten durchspielen gegen Dänemark, der Buchwald aus Stuttgart, während sich die anderen beim Warmlaufen fast über den Haufen rannten.

Und hinterher, da hat es auch der Franz Beckenbauer eingesehen: „Deutsche Stadien sind gar nicht darauf eingerichtet, auch die Duschen.“ Es war halt ziemlich eng am Mittwoch, weil der Teamchef partout ins Guinness-Buch der Rekorde wollte und - den dritten Torwart ausgenommen seinen ganzen Kader auf den Rasen schickte zur finalen Bewegungstherapie. Kann natürlich auch sein, daß er sich von den Beobachtern der künftigen Kontrahenten in Italien nicht in die Karten schauen lassen wollte. Die jedenfalls dürften nicht viel zu berichten haben von dieser Partie, außer vielleicht, daß in der Bundesrepublik die Fußballeuphorie neue Blüten treibt. Wo sonst kämen 43.000 zum Abschlußtraining und zahlten noch einen Batzen Geld dafür?

Auch den künftigen Biographen verschaffte der Abend eher Irritationen. Was bedeutet die Einwechslung von zehn Kickern in einem Spiel für die Seelenlage des berühmten Autodidakten (s.a. Interview)? Völlige Entscheidungsschwäche und den Hang, es allen recht machen zu wollen; ein tiefes demokratisches Grundverständnis vom Fußball als Mannschaftsspiel; oder einfach unselige, kommunistische Gleichmacherei?

Den Psychologen öffnet Franz Beckenbauer mit seiner Handlung ein weites Problemfeld, den Zuschauern stellten sich Probleme ganz anderer Art: Was tun mit einer Angelegenheit, die Stimmung verbreitet „wie im großen Lesesaal der Stadtbücherei“ ('Waz‘)? Es ist nur der Fußballweltmeisterschaft in Mexiko zu verdanken, daß die Leute einigermaßen über die Runden kamen, und der DFB täte gut daran, künftig wenigstens eine D-Mark pro Eintrittskarte an den dortigen Fußballverband zu überweisen. Nichts ginge doch mehr bei Spielen wie diesem ohne „la ola“, jener segensreichen Einrichtung, die den Veranstalter nichts kostet und den Menschen sichtlich eine unbändige Freude spendet. Gar nicht mehr warten wollte das Publikum, bis die Welle wieder an ihrem Ausgangspunkt angelangt war. Im Sekundentakt nahezu sprangen sie in die Höhe und setzten das Leiberwabern in Bewegung, nutzten die verbleibenden Momente bestenfalls, um kurz „Schalke“ zu fordern.

Aber Schalke kam nicht, nur neue Spieler, nicht einmal die Dänen kamen. Angekündigt waren die als neuformiertes Jungteam mit dem wiedergewonnenen Frischegeist der Jahre '84 und '86, bloß: Noch immer steht die Qualität des dänischen Fruchtjoghurt höher als die des Fußballs - keine Frage. Nicht einmal richtig geprüft wurde das Duo Aumann/Köpke die ganze Zeit.

Wenigstens das war anders auf der anderen Seite. Neben Völler, der das einzige Tor ins Netz wurgelte, starteten auch Häßler an seinem 24. Geburtstag und Mill einige als ernst zu bezeichnende Versuche, ansonsten wurde der gutgemeinte Zuruf „da is dat Tor“ weitgehend ignoriert. Woher sollen sie's auch haben, wenn schon ihr Boß vorher über die einzuschlagende Taktik solcherart sinniert: „Was heißt da Defensive und was heißt da Offensive?“

Lange geht das nimmer zum Glück, weil selbst die Vereinigten Arabischen Emirate bei der WM forscher Ball und Mann treiben werden und der DFB Gefahr läuft, als Opfer seiner eigenen, von der Bundesregierung unterstützten Werbekampagne zu enden: „Keine Macht den Drögen!“ Stellen sich doch die Fußballfans voll hinter, hinter die Parole.

DÄNEMARK: Schmeichel - Olsen - Sivebaek, Nielsen - Bruun (77. Skaarup), Jensen, Vilfort, Andersen, Bartram (71. Frandsen) - Povlsen, Christensen (72. Risom).

BRD: entfällt (diesen Blödsinn machen wir doch nicht mit).