DDR: Nicht Tor zum Osten, sondern höchsten Türchen

■ RWI-Studie: Marktwirtschaft im RGW-Raum macht Wissen und Güter der exportorientierten Kombinate überflüssig / DDR verliert ihre Konkurrenzvorteile

Berlin (taz) - Unter den Argumenten, warum sich West-Firmen an DDR-Betrieben beteiligen sollen, fällt immer wieder das vom „Tor zum Osten“. Viele Konsum-, vor allem aber Investitionsgüter-Hersteller zwischen Rostock und Zwickau liefern ihre Produkte „made in GDR“ seit Jahrzehnten in den RGW-Raum, kennen Land und Leute und die Sprache der dortigen Bürokraten und Manager. Zwar setzt die DDR nur 30 Prozent ihrer Produktion im Ausland ab, aber davon gehen zwei Drittel in die Länder Osteuropas, überwiegend in die Sowjetunion. Und weil die Märkte dort ein enormes Wachstumspotential hätten, seien ihre Betriebe doch attraktiv, lockt so mancher DDR-Manager.

Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt das Rheinisch -Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen, in einer neuen Studie über die Einbindung der DDR in den RGW. Nach den Wandlungen in allen osteuropäischen Ländern werde die DDR als Lieferant von Investitionsgütern „kaum noch Vorteile“ haben. Allenfalls auf kurze und mittlere Sicht seien die RGW-Partner auf die DDR-Lieferungen angewiesen, wodurch für eine Übergangsperiode Produktion und Beschäftigung gesichert sein dürfte. West-Unternehmen kommen in dieser Zeit nicht als Lieferanten in Frage, weil die Abnehmer technische Standards wollen, die mit dem in Osteuropa vorhandenen Maschinenpark kompatibel sind. Sobald sich die Länder aber auf dem Weltmarkt mit Investitionsgütern eindecken können und zugleich auch innerhalb des RGW in Devisen abgerechnet wird, werden die DDR-Unternehmen diese Märkte verlieren. Und warum sollte die bulgarische Regierung gegen Devisen noch Trabants importieren, wenn sie zum gleichen Preis Mazdas, Renaults oder VW bekommen kann?

Die Einbindung könne sich so auch als regelrechte gesamtwirtschaftliche „Altlast“ herausstellen. Denn das Tempo der wirtschaftlichen Umgestaltung im exportabhängigen Sektor werde von dem RGW-Mitglied verlangsamt, in dem die Ablösung planwirtschaftlicher Strukturen am zögerlichsten verläuft - gemeint ist die Sowjetunion, die an berechenbaren Lieferungen in unberechenbaren Zeiten besonders stark interessiert sei. Weil die Produktionsanlagen in der UdSSR zu einem großen Teil aus anderen RGW-Ländern stammen, möchte die Sowjetunion auch die Ersatzteillieferungen sichergestellt wissen. Schließlich werde sie wegen der angespannten Versorgungslage auf die Einhaltung der Lieferzusagen für Konsumgüter dringen.

„Mehr als fraglich“, so das RWI, sei auch, ob die DDR -Betriebe etwa ihre Kentnisse der Ostmärkte ausspielen können. Diese Kenntnisse bestehen nämlich nicht in Informationen über Marktgegebenheiten, sonden in einem Wissen um einen formalisierten, bilateralen Tausch, der noch starke Züge eines Naturaltauschs aufweist.

Soweit hier Wissen vorhanden ist, das seinen Wert nicht verliert - wie etwa persönliche Kontakte, Sprachkenntnisse oder Kenntnisse der im RGW geläufigen Datenverarbeitungssoft - und -hardware -, sind diese Qualifikationen an Produktionsfaktoren gebunden, die hochmobil sind, wie die Übersiedlerzahlen belegen. Heißt im Klartext: Es ist für eine Westfirma allemal billiger, einem DDR-Kombinat das passende Personal wegzukaufen, als sich an diesem Kombinat zu beteiligen.

diba