DDR-Recht bleibt für Übergangszeit erhalten

DDR-Justizminister plädiert nach bundesdeutscher Justizministerkonferenz für Übernahme von Fristenregelung / Zweierlei deutsches Recht für die Übergangszeit / Paragraph 218 soll zunächst nicht angeglichen werden / Erfassungsstelle Salzgitter soll Arbeit beenden  ■  Aus München Luitgard Koch

„Solange die deutsche Einheit nicht hergestellt ist, hat jeder sein Recht“, betonte gestern Bundesjustizminister Hans Engelhard (FDP) zum Abschluß der Justizministerkonferenz der Bundesländer in München. Gleichzeitig hob er hervor, daß für eine Übergangszeit das Recht der DDR erhalten bleibe, ein neugewähltes Parlament jedoch die strittigen Fragen endgültig regeln müsse. Dies bezog sich vor allem auch auf die heiß umstrittene Frage des §218 und der Beibehaltung der Fristenregelung in der DDR. Auch der zum Abschluß des Treffens hinzugekommene DDR-Justizminister Kurt Wünsche (Bund Freier Demokraten) pflichtete Engelhard insofern bei, als daß „wir auch nach Herstellung der staatlichen Einheit ein mehr oder minder langes Fortbestehen verschiedener gesetzlicher Regelungen haben werden“.

Vehement verteidigte Wünsche erneut die Beibehaltung der Fristenregelung in Sachen Schwangerschaftsabbruch und erklärte, daß die DDR-Bürger, darunter vor allem die Frauen, mehrheitlich diese Auffassung verträten. Doch nicht nur in der DDR gibt es nach Ansicht des Ministers „wenig Neigung, die Fristenlösung aufzugeben“. Auch in der BRD gibt es seiner Meinung nach „nicht wenige Stimmen, insbesondere aus Frauenkreisen, die der DDR-Regelung zuneigen“. Bayerns Justizministerin Mathilde Berghofer-Weichner (CSU), die als Vorsitzende die Konferenz leitete und als rigide Abtreibungsgegnerin eine Verschärfung des § 218 anstrebt, hörte sich diese Äußerung ihres DDR-Kollegen widerspruchslos an. Auch als Wünsche nach den „nachteiligen Folgen“ eines „Abtreibungstourismus“ bei einer Beibehaltung der verschiedenen Regelungen befragt wurde und klarstellte, daß unterschiedliche Regelungen in den verschiedenen Ländern keine prinzipiell neue Situation seien, gab sich die bayerische „eiserne Lady“ gelassen.

Als ein Hauptfeld für die DDR-Rechtspolitik bezeichnete Wünsche die künftige Ländergesetzgebung und die Schaffung von föderalistischen Strukturen. Außerdem soll die Gerichtsbarkeit, wie etwa Finanz-, Sozial- und Verwaltungsjustiz, die es ja derzeit in der DDR nicht gibt, zunächst der ordentlichen Gerichtsbarkeit angegliedert werden. Um aus DDR-Richtern „unabhängige Richter“ zu machen, will die BRD Fortbildung anbieten. Die Teilnehmer dieser Lehrgänge sollen jedoch besonders sorgfältig ausgewählt werden. Außerdem werden 100 bundesdeutsche Richter für die Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit in die DDR geschickt.

„Wir sind uns einig, daß die Erfassungstätigkeit der Stelle zu Ende geht“, erklärte Justizministerin Berghofer-Weichner zum Thema Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter. Das Material der umstrittenen Zentrale soll demnächst zu Dokumentationszwecken archiviert werden. Davor jedoch sei es immer noch wichtig, zu Beweiszwecken und zur Rehabilitation von „geschädigten DDR-Bürgern“.