Greifswald-Stillegung nur vorrübergehend?

■ Sicherheitsgutachten über die morschen Meiler liegt vor / Kraftwerksleitung rechnet mit Rekonstruktion

Berlin (taz) - DDR-Umweltminister Steinberg und sein Bonner Kollege Töpfer wollen heute die Stillegung aller vier betriebsfähigen Reaktorblöcke im maroden Atomkraftwerk von Greifswald bekanntgeben. Dies meldete gestern die 'Welt‘. Grundlage der Stillegung ist ein Gutachten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS), das Anfang des Jahres nach ersten Berichten über den verheerenden Zustand des Kraftwerks in Auftrag gegeben worden war. Die Umwelt -Ministerien in Bonn und Berlin bestätigten gestern, daß das mit Spannung erwartete Papier fertiggestellt ist, wollten aber zu den Konsequenzen noch nicht Stellung nehmen.

Auch in der Leitung des AKW ist die GRS-Expertise „im Prinzip bekannt“. Norbert Meyer, leitender Werkstoffexperte im Atomkombinat sagte der taz, daß die Kraftwerksleitung in jedem Fall mit einer Nachrüstung der vier umstrittenen Reaktorblöcke rechnet. Eine Totalstillegung auf Dauer sei nicht zu erwarten. Dies „wäre eine ganz neue Wende, die allen bisherigen Ergebnissen widerspricht“, sagte Meyer. Bei einer Rekonstruktion würde das AKW nur vorrübergehend stillgelegt, um es dann - unter Beteiligung der westdeutschen Kraftwerksunion - nachzurüsten.

Die Kraftwerksleitung von Greifswald wird heute morgen mit Steinberg und Töpfer zur „Interpretation des Gutachtens“ zusammentreffen. Hier seien noch Korrekturen möglich, sagte Meyer. Anschließend werde die Öffentlichkeit unterrichtet. Schon im Februar wurden nach dem Zwischenbericht der GRS die Blöcke II und III außer Betrieb genommen. Ihnen sollen nun die Blöcke I und IV folgen. Strom wird ohnehin nur noch von Block I erzeugt, weil der vierte Reaktor zur routinemäßigen Inspektion abgeschaltet ist.

Zu Massenentlassungen unter den 8.000 Atomwerkern von Greifswald werde es nicht kommen, versicherte Norbert Meyer. Durch den Neubau der beiden großen Steinkohlekraftwerke bei Lübeck und Rostock und den Bau des neuen Öl-Heizkraftwerkes in Greifswald (siehe taz von gestern) könnten Arbeitsplätze umverlagert werden. Vor dem Hintergrund der ungewissen Zukunft der morschen Atommeiler ist in Greifswald am Dienstag ein Betriebsrat gewählt worden.

-man