Visafrei fast bis Hawaii Europäer überollen DDR

Touristen aus EG-Kernländer können ungehindert in die DDR Visapflicht für DDRlerInnen entfällt fast überall in Europa  ■  Aus Brüssel Michael Bullard

Der Touristenschwemme steht nichts mehr im Wege. Reiselustige aus den EG-Kernlanden Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden können seit gestern ungehindert die DDR bereisen und auch reisesüchtige DDRlerInnen können jetzt frohlocken. Rechtzeitig zum Ferienbeginn fielen auch für sie die Visabestimmungen in diesen Ländern. Ebenso in der Schweiz und Liechtenstein. Dänemark ist bereits seit Mitte Mai, Italien seit dem 21. Mai zu bereisen. Großbritannien wird ab dem 8. Juni seine Grenzen öffnen. Die anderen EG-Länder Spanien, Griechenland, Portugal, Irland werden sich in den nächsten Wochen diesem Trend anschließen; Schweden hat zum 15. Juni die Visapflicht abgeschafft.

Ermöglicht wurde das Feriengeschenk durch die überraschende Übereinkunft der Regierungen Frankreichs, der Bundesrepublik und der Beneluxländer, doch noch das „Schengen-Abkommen“ in dem kleinen Luxemburger Städtchen Schengen voraussichtlich Ende Juni zu verabschieden. Die Verhandlungen über das Abkommen, mit dem die fünf EG-Kernstaaten dem Rest der Gemeinschaft die Aufhebung der Grenzen vorexerzieren wollen, waren letzten Dezember unter anderem an der bundesdeutschen Forderung nach Freizügigkeit für die DDRler im Vertragsraum gescheitert. Vor allem den Beneluxregierungen war es bei dem Gedanken nicht geheuer, daß Hundertausende arbeitssuchender DDRler den beschaulichen Alltag ihrer arbeitenden Massen stören könnten.

Außerdem waren die Zuständigkeiten für die Kontrollen an der Grenze zwischen der DDR, Polen und der CSFR ungeklärt. Seit die Grenze zwischen der BRD und der DDR faktisch nicht mehr besteht, ist die Oder-Neiße-Linie die neue Ostgrenze der EG, die - zumindest vorübergehend bis zur DDR -Integration - entgegen der EG-Gesetze von einem Nicht-EG -Staat kontrolliert wird. Diese Bedenken wurden durch einen einfachen Trick ausgeräumt: Die DDR wurde in den Kreis der Schengen-Länder aufgenommen, ohne allerdings unterzeichnungsberechtigt zu sein. Das übernimmt der große Bruder Kohl. Von der neuen Freizügigkeit ausgeschlossen bleiben vorerst die TouristInnen der anderen mittelosteuropäischen Staaten.