Vorläufiges Aus für AKW Greifswald

■ Die vier maroden Alt-Reaktoren werden abgeschaltet / Der Block I soll aber noch bis zum Jahresende in Betrieb bleiben Ein Sicherheitsgutachten macht Auflagen für die Nachrüstung der Atom-Invaliden / Weiterer Ausbau des Komplexes bleibt unangetastet

Berlin (taz) - Das marode Atomkraftwerk Greifswald wird zum Ende dieses Jahres wegen seiner gravierenden Sicherheitsmängel abgeschaltet. Dann soll ein ökonomisches Gutachten klären, in welchem Umfang die vier bislang betriebenen Reaktorblöcke nachgerüstet werden können. Das vorläufige - Aus für Greifswald wurde gestern von DDR -Umweltminister Karl-Hermann Steinberg und seinem Bonner Kollegen Klaus Töpfer vor der Presse in Ost-Berlin bekanntgemacht. Grundlage der Entscheidung zur vorläufigen Still- legung war das Sicherheitsgutachten der Kölner Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS).

Ungeachtet der großen Probleme mit den vier Alt-Reaktoren soll der fünfte Block von Greifswald in diesem Jahr in Betrieb gehen. Auch Planung und Bau der Reaktoren sechs bis acht wird in Greifswald fortgesetzt.

DDR-Umweltminister Steinberg faßte das GRS-Gutachten zusammen und sprach von „erheblichen sicherheitstechnischen Defiziten“ der vier alten Greifswald-Blöcke. Neben den schwerweigenden technischen Mängeln, die in der Vergangenheit „wiederholt kritische Auswirkungen“ auf den Betrieb der Reaktoren zeigten, seien auch von den Bedienungsmannschaften „gravierende Verstöße gegen die Sicherheitsbestimmungen“ begangen worden. So sei der Reaktor trotz Leckagen vorschriftswidrig weiter in Betrieb gehalten und die Aufsichtsbehörde nicht ordnungsgemäß über die Vorfälle unterrichtet worden. Konsequenz der festgestellten Sicherheitsmängel müsse die Abschaltung aller vier Reaktoren sein.

Der Vollzug dieser Entscheidung wird allerdings vorraussichtlich bis zum Jahresende dauern. Drei der vier Greifswald-Blöcke sind zwar derzeit schon vorsorglich vom Netz (und bleiben es), doch der noch laufende Block I soll trotz aller Sicherheitsmängel noch bis zum Jahresende weiterbetrieben werden.

Durch nicht näher präzisierte „zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen“ soll der geordnete Auslaufbetrieb dieses Reaktors gewährleistet werden. Eine sofortige Abschaltung bringe auch sicherheitstechnische Probleme, weil der für die Abschaltung notwendige Prozeßdampf nach Stillegung der übrigen Reaktoren nicht mehr vorhanden sei, sagte Steinberg. Block I soll außerdem die Wärmeversorgung für die 40.000 Einwohner der Stadt Greifswald aufrechterhalten. Was passiert, wenn der Reaktor nach einem Störfall abgeschaltet werden muß? Gute Frage. Die blieb gestern aber unbeantwortet. Rund 8.000 Arbeitsplätze in Greifswald sollen zumindest kurzfristig erhalten bleiben.

Manfred Kriener Fortsetzung auf Seite 9

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