„Mein Geld gehört mir!“

■ In Bremen beraten zwei Fachfrauen weibliches Klientel in Geldangelegenheiten / „Bank-und Versicherugsfritzen“ haben ebenfalls die Frau entdeckt

Taz-Leserinnen, knapp unter dreißig, abends in der Kneipe: Sie dürften reden über Beziehungsprobleme und über Kinderwünsche, auch über Tanzkurse, Honorarjobs und Körpererfahrung. Über eines aber dürften sie sich garantiert nicht austauschen: Über Lebensversicherungen, private Zusatz -Renten, zaghafte Wertpapier-Spekulationen. Warum eigentlich nicht?

Bärbel Hartz und Anne Wulf, zwei Bremer Fachfrauen für „Finanzen“ und „Versicherungen“, haben sich diese Frage schon oft gestellt. Für sie hat die Antwort nicht nur mit dem geringeren Einkommen von Frauen zu tun: Ihre Thesen: „Es ist das Problem, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen: Hier bin ich und meine eigene Versorgung.“ - „Es ist ein Problem für Frauen, in großen Geldbeträgen zu denken. Sie sind auf Haushaltsgeld-Größen hin erzogen.“ - „Es ist der Glaube daran, daß die Versorgungsschiene Ehe

funktioniert.“ - „Auch wenn eine nicht heiratet: Es ist erstmal eine Passivität da. Erst mit Mitte dreißig fällt es langsam auf, daß frau sich darüber ja doch Gedanken machen muß.“

Mitte dreißig, das ist auch das Alter, in dem Frauen sich aufmachen ins „Finanzkontor“ von Anne Wulf oder ins„Versicherungskontor“ von Bärbel Hartz. Die beiden Bremer Finanz-Expertinnen haben sich 1986 zusammengetan, um „schwerpunktmäßig“ Frauen zu beraten, unabhängig von Bank -und Versicherungsunternehmen, von „Bank-und Versicherungsfritzen“. Die beiden Bremerinnen waren die ersten in der Bundesrepublik, die sich in kombinierten Gelddingen auf Frauen spezialisiert haben. Sie beraten aber auch Männer. Anne Wulf: „Wir brauchen das gemischte Publikum, um zu existieren.“

Was die Beraterinnen sich von den Frauen wünschen: Daß sie

früher anfangen, am besten mit 18, sich um Finanzielles zu kümmern. Denn dann wären sie im Alter nicht so arm, beziehungsweise bräuchten geringere monatlichen Beiträge für eine private Altersversorgung ausgeben.

Das Beratungsspektrum, das die Betriebswirtin Wulf und die Versicherungskauffrau Hartz abdecken, ist breit: Vom Kleinkredit bis zur Millionenerbschaft, vom Fahrraddiebstahl über die Haftpflichtversicherung („ein Muß“) bis zur Beantwortung der Frage: „Was kann ich machen mit 50 Mark im Monat, wenn ich die regelmäßig anspare?“ Ferner gibt es Beratung für Frauen, die lernen wollen, ihre Honorarforderungen klarer zu stellen oder für solche, die selbständige Geschäftsfrau werden wollen. Bärbel Hartz: „Dazu gehört auch, realistisch zu klären: Welche Auswirkungen hat das auf mein Privatleben? Wenn ich die ersten Jahre einen zwölfstündigen Ar

beitstag habe, brauche ich einen Lebenspartner, der das trägt.“ Und, dazu gehört auch: „Die eigene Arbeit wirklich realistisch zu berechnen und zu kalkulieren. Frauen neigen noch immer dazu, mit dem Selbstkostenpreis zu planen. Da gibt es das berühmte Beispiel von den Frauen, die ein Cafe aufmachen und den Kuchen nur nach den Zutaten berechnen wollten.“

Das Finanzspektrum, das Hartz und Wulf Frauen offerieren können, ist mit einer Ausnahme das gleiche, was Männern auch zur Wahl steht. Diese eine Ausnahme heißt: „Frauenstadthausfonds“. Anne Wulf, nicht ohne Stolz: „Die einzige mir bekannte Geldanlage nur für Frauen.“ Für über 500.000 Mark haben Bremerinnen im vergangenen Jahr einen Altbau ersteigert, den sie derzeit sanieren. Es entstehen Wohnräume, Werkstätten für Frauenbetriebe und helle Räume für Sport und Bewegung. Ein großer

Teil des Kaufpreises mußte mit Bankkrediten zwischenfinanziert werden. Anne Wulf wirbt um mehr weibliches Kapital: „Eine absolut sichere Anlage. Angelegt in die Immobilie direkt.“

Wenn die Beraterinnen ihren Kundinnen, vom „Frauenstadthaus“ abgesehen, auch kein geschlechtsspezifisches Finanzspektrum aufzeigen können, so gibt es bei ihnen doch etwas, „was anders ist“. Anne Wulf: „Die Umgehensweise.“ Soll heißen: der Mangel an Überheblichkeit und die sachliche Geduld, mit der sie einer Finanz-Laiin - wenn es sein muß eine halbe Stunde lang erklären, wie Lebensversicherer kalkulieren oder wie Frauen bei der gesetzlichen Rentenversicherung hinten runter fallen. Einfühlungsvermögen und Seriosität zahlen sich aus: Bei Hartz und Wulf wird fast nie ein Abschluß storniert, zum September wollen sie umziehen und sich größere Räumlichkeiten leisten. Bärbel Hartz über die Anfänge: „Als wir den Frauen gezeigt hatten, daß wir von der Sache Ahnung hatten, war es einfacher.“

Ein Jahr, nachdem sie ihr kleines, unabhängiges Büro eröffnet hatten, begannen Banken und Versicherungen ebenfalls, Frauen als spezielle Zielgruppe zu entdecken. Erst kürzlich hatten die Bremerinnen hohen Besuch. Ein „leitender Mensch von einer großen Versicherungsgesellschaft aus Düsseldorf“ wollte sich nach ihren Erfahrung erkundigen und bekannte: „Frauen haben wir bisher nicht im Blick gehabt. Aber was können wir denn mal tun?“ - „Aufgesetzt“, findet das Bärbel Hartz: „Seit 1987 gibt es diesen Trend, weil bei den Männern versicherungsmäßig ein Sättigungsgrad erreicht ist.“ Anne Wulf: „Die Banken haben erkannt, daß zu der derzeitigen Erbengeneration auch Frauen gehören. An diese Beträge wollen sie ran. Und da der herkömmliche Weg nicht ausreicht, initiieren sie mit Frauen sogenannte 'Frauenberatungszentren‘.“ Ein Dorn im Auge ist Bärbel Hartz auch die „Sie-Finanz“. Eine Vermittlungsgesellschaft, die dabei sei, bundesweit Büros zu eröffnen und sich einen unabhängigen An

strich gebe: „Dabei ist das ganz klar eine Gründung der 'Schweizerischen Rückversicherung‘.“

Nicht nur von der Entdeckung, auch von der Diskriminierung des weiblichen Geschlechts im Versicherungswesen können die beiden Beraterinnen ein Lied singen: Etwa bei der „privaten Berufsunfähigkeitsrente“, einer wichtigen Absicherung für Selbständige, müssen Frauen 50 Prozent höhere Beiträge zahlen. Eine Begründung gibt es dafür nicht. Mehr zahlen müssen Frauen auch bei privaten Krankenkassen. Dies wird mittlerweile aber nicht mehr mit ihren Schwangerschaften begründet, sondern damit, daß Frauen als Patientinnen generell teurer seien. Doch immerhin ein Trost bleibt den weiblichen Versicherten: Weil sie (noch) im Durchschnitt länger leben als Männer und infolgedessen ihre Beiträge länger ordnungsgemäß einzahlen, machen die Lebensversicherer ihnen günstigere Preise. Lebensversicherung - vielleicht doch mal ein lohnendes Thema für einen weiblichen Kneipenabend.

Barbara Debus