„Weil ich gesehen hab, daß man nichts machen kann“

■ Gespräch mit Anja R. (Name von der Redaktion geändert), 32 Jahre, HIV-positiv, über ihren Alltag mit Aids und die Rolle der Aidshilfe

taz: Du und einen Freund, Ihr seid beide HIV-positiv, seit wann wißt Ihr das?

Anja: Vor fünf Jahren, in Therapie in Hohehorst, da haben so Gespräche stattgefunden, auch über Aids. Wer wollte, der konnte sich da untersuchen lassen, und da habe ich mir eben überlegt, weil ich auch 'nen kleinen Sohn habe, daß ich den Test machen lasse.

Wie alt ist der?

Der ist jetzt sechs Jahre, er wohnt bei meinen Eltern. Mein damaliger Freund, der hat den Test zuerst machen lassen, der war positiv, und, naja, wir haben halt sexuellen Kontakt gehabt, und da hab‘ ich mir schon gedacht, daß ich wahrscheinlich auch positiv sein werde. Ich hab‘ mir das dann noch überlegt, 'n paar Tage, dann bin ich zum Test gegangen.

Hast Du darüber vorher noch mit anderen Leuten gesprochen?

Nur mit meinem Freund und denen vom Hauptgesundheitsamt, die haben mich da dann so'n bißchen drauf vorbereitet, aber ich war ja sowieso vorher ziemlich sicher, daß ich's habe, ich hab‘ mir da, ehrlich gesagt, keine so großen Gedanken drüber gemacht.

Und als Du das Ergebnis schwarz auf weiß hattest?

Eigentlich war da gar nichts besonderes, ich mein‘, ich war clean zu der Zeit, hab‘ nichts genommen, also das war dann nicht so, daß ich gesagt habe, 'och, ist ja eh‘ alles egal, kannst wieder anfangen zu drücken‘ oder so. Erst als ich krank wurde, vor einein

halb Jahren, da war ich ziemlich derbe krank, hatte 'ne Lungenentzündung, da hab‘ ich schon Angst gehabt.

Hast Du Dich zu der Zeit an die Aidshilfe gewandt?

Nee, die haben mich dann im Krankenhaus besucht, als es auf

die Entlassung zuging. Die haben mir dann gesagt, daß ich zu ihnen kommen könnte, das hab‘ ich dann auch gemacht.

Hast Du Deinen Freunden und Deiner Familie erzählt, daß Du an AIDS erkrankt bist?

Ja, denen von Hohehorst und meinen Eltern.

Und wie haben die reagiert?

Die haben ihr Verhalten kaum geändert, nur über einige ärgere ich mich, die wischen dann z.B. alles ab, was ich angefaßt habe. Und meine Etern wollten es nicht meinen Geschwistern erzählen.

Warum nicht?

Weil die sich sowieso schon so von mir fernhalten, wegen Drogen und so.

Und wie hat sich Dein Alltag geändert, lebst Du jetzt anders?

Ja, aber erst, seit ich nicht mehr am Drücken bin, vorher war mir das egal. Also, ich achte jetzt darauf, daß ich jeden Tag eine gewisse Menge an Obst esse, ich geh‘ jetzt dreimal die Woche zum Sport... Aber manchmal denk‘ ich, daß ich schon n‘ bißchen mehr aufpassen müßte, z.B. wenn ich schwitze, nach dem Sport, da hab‘ ich dann n‘ bißchen Angst.

Und Du nimmst regelmäßig an Veranstaltungen der AIDS-Hilfe teil?

Ja, ich arbeite hier auch, ich mach‘ hier sauber, ich mach‘ leichte Bürotätigkeiten, dafür krieg‘ ich Geld vom Sozialamt.

Und wir treffen uns zu Gesprächsgruppen.

Und in diesen Gesprächen helft Ihr Euch gegenseitig?

Ja, wir reden da über unsere Probleme, auch über so medizinische Erkentnisse. Die Schwester, die hier arbeitet, hat mal erklärt, wie man sich nur anstecken kann, also wir auch andere. Weil, manche machen da ja Panik, besonders Leute im Krankenhaus. Aber wir sagen das trotzdem immer gleich, ich hab‘ das z.B. sofort meinem Zahnarzt gesagt. Und sexuellen Kontakt hab‘ ich ja nur zu meinem Freund, der auch positiv ist.

Kommen da auch oft neue Leute dazu, in Eure Gruppe?

Nee, das ist schon total eingespielt. Es werden aber manchmal weniger... also dann bin ich total fertig. Das ist noch gar nicht so lange her, da ist 'n guter Bekannter von mir gestorben, mit dem hab‘ ich auch im Krankenhaus gelegen, der hatte die gleiche Lungenentzündung wie ich. Aber er hat sich nie ganz wieder erholt. Der wollte dann auch regelrecht zuhause sterben. Da ging's mir dann ganz schlecht, weil ich auch gesehen hab‘, daß man absolut nichts machen kann - und weil ich ihn auch sehr mochte.

Interview: Antonie Nor