Die Zersiedlung des Umlandes aufhalten

■ „Planungsgruppe Potsdam“ legt Plan für sternförmige Entwicklung Berlins vor / Modell der Westberliner Umweltsenatorin gestützt / Wohnungsbau-Schwerpunkt in Nauen und Bernau / Infrastruktur sowie Kanalisation und Klärwerk fehlt / Flächennutzungsplan erforderlich

Potsdam. Berlin ist dicht, aber im Umland ist noch Platz. Auf diesen einfachen Nenner läßt sich die Planung für Berlin und die angrenzenden Landkreise bringen, die Planer des Senats, des Magistrats und der Bezirke Potsdam und Frankfurt/Oder jetzt in groben Zügen entwickelt haben. Die nach ihrem Sitz benannte „Planungsgruppe Potsdam“ schloß am 10. Mai nach sechswöchiger gemeinsamer Diskussion die Arbeit ab. Die Regionalplaner von Umweltsenatorin Schreyer fühlen sich bestätigt: Das von ihnen favorisierte Modell einer „sternförmigen“ Entwicklung der Stadt ins Umland hinein habe sich in detaillierten Analysen als tragfähig erwiesen.

Bis zu 1,2 Millionen neue Bewohner könne der Großraum Berlin aufnehmen, ermittelten die Planer. Bis zum Jahr 2010 ließen sich die nötigen Flächen für Wohn- und Gewerbebauten problemlos innerhalb der bestehenden Siedlungsachsen unterbringen, die von den alten S-Bahn-Strecken definiert sind. Schon in den nächsten zehn Jahren ließen sich immerhin Wohnungen für etwa 600.000 Neu-Berliner schaffen. Zum Vergleich: Heute leben 4,1 Millionen Menschen in dem untersuchten Großraum, der die beiden Berliner Stadthälften und die angrenzenden Landkreisen umfaßt.

Schwerpunkte des Wohnungsbaus sollen, geht es nach der Planungsgruppe Potsdam, die Gebiete um Nauen und Bernau sein. In insgesamt sieben ins Umland hineinreichenden Entwicklungsachsen streben die Planer eine Verdoppelung der bisherigen Einwohnerzahl an. Größte Ausnahme ist die bereits dicht besiedelte Gegend um Potsdam: Hier soll die Einwohnerzahl nur um 18 Prozent wachsen. 100.000 zusätzliche Wohnungen könnten außerdem in West-Berlin entstehen, für Ost -Berlin ermittelten die Experten 150.000.

Angesichts der hohen Verdichtung in Berlin selbst gebe es „gute Gründe“, ein „weiteres Anwachsen der Bevölkerung nur in Berlin weder für erforderlich noch für erstrebenswert zu halten“, heißt es in der achtseitigen „Kurzfassung“ ihres Berichts, die die Planungsgruppe aus Potsdam mitbrachte. Kurzsichtig sei es, wenn die Westberliner Wirtschaftsförderungsgesellschaft sich weiter ausschließlich um Ansiedlungen neuer Unternehmen in West-Berlin bemühe. Für neue Unternehmensansiedlungen stünden im „Verflechtungsraum“ 3.500 Hektar „als aktivierbare Flächen zur Verfügung“ - für die unter Flächenknappheit stöhnenden Westberliner eine astronomische Zahl. Viele dieser Grundstücke in bestehenden Gewerbegebieten seien allerdings von Industriegiften und Schadstoffen aus der Landwirtschaft verseucht und müßten erst saniert werden.

Hemmend beim Ausbau von Wohn- und Industriegebieten wird sich allerdings das Fehlen von Kanalisation und Klärwerken im Umland auswirken. Außerhalb von Ost-Berlin sei teilweise nur jeder zehnte Haushalt an die Kanalisation angeschlossen, klagen die Westberliner Regionalplaner. In Zukunft dürften Wohnungen und Fabriken auf keinen Fall genehmigt werden, ohne daß entsprechende Entsorgungsmöglichkeiten vorhanden seien.

Zwischen den Siedlungsachsen müßten große Landschaftsräume vor Bebauung bewahrt bleiben, heißt es: „Eine Zersiedelung des Umlandes muß verhindert werden.“ Die Vorschläge der Planungsgruppe, die ohnehin noch von Regionalausschuß und Senat gebilligt werden müssen, können freilich nicht verhindern, daß Gemeinden oder LPGs bereits Vorverträge mit westlichen Investoren abschließen. Erst ein gültiger Flächennutzungsplan bietet die Handhabe, Spekulanten die Lust auf die grüne Wiese zu verderben. Leider werde das bundesdeutsche Planungsrecht nicht mit der Währungsunion in der DDR eingeführt, klagen die Senatsplaner. Vorerst könne man den Kommunalpolitikern nur raten, sich nicht übereilt und damit meist zu billig an den erstbesten mit D-Mark -Scheinen und unverbindlichen Veersprechungen lockenden Unternehmer zu verschenken.

hmt