: NRW-CDU revoluzzert vor sich hin
Der neue Oppositionschef Helmut Linssen übt harsche Selbstkritik/ „Können nicht mehr so weiter machen wie bisher“ ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Der neue Vorsitzende der nordrhein-westfälischen CDU -Landtagsfraktion, Helmut Linssen, verlangt vom Bonner Verteidigungsministerium „eine drastische Reduzierung der Tiefflüge noch vor den Sommerferien“. Wenn Verteidigungsminister Stoltenberg diesen Forderungen der NRW -CDU nicht umgehend nachkomme, sei das Vertrauen, das die Christdemokraten in Nordrhein-Westfalen bisher ihrem Bonner Parteifreund entgegengebracht hätten, „hochgradig gefährdet“.
Alle Flüge unterhalb von 300 Metern, so Linssen in Richtung Bonn, „sind abzuschaffen“. Linssen, nach Norbert Blüm der wichtigste Mann der NRW-CDU, gab sich in einem Gespräch mit Journalisten am Donnerstag abend überzeugt, daß die CDU in Nordrhein-Westfalen künftig gegen die Bonner Politik immer dann „Einspruch“ erheben werde, „wenn es nötig ist“.
Ganz ohne taktische Rücksichtnahmen auf Bonn wird die neue Freiheit in den kommenden Monaten allerdings noch nicht ausgelebt. In der CDU sei zwar „eine kleine Revolution“ nötig, die aber erst nach der Bundestagswahl ausgerufen werden soll, fügte Linssen hinzu. Dann könne man „sicher noch mehr Gas geben“.
Der Mut zur christdemokratischen Revolte hängt unmittelbar mit dem für die CDU desaströsen Landtagswahlergebnis in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai diesen Jahres zusammen. Das sei „eine Zäsur“ für die CDU in NRW gewesen, die lediglich um 0,2 Prozent auf 36,7 Prozent zulegen konnte. Jeder, der jetzt noch glaube, man könne wie gewohnt weitermachen, „sei auf dem Holzweg“.
Die CDU habe sich, so Linssen wörtlich, „auf vielen Gebieten sehr weit wegbewegt vom Lebensgefühl der Menschen fast aller Altersstufen“. Zu vielen relevanten gesellschaftlichen Bereichen, zu Jugendlichen und jungen Frauen ebenso wie zu Umweltgruppen, bestünden regelrechte „Zugangssperren“, die es abzubauen gelte. „Eine Stammwählerpolitik reicht offensichtlich nicht aus“, sagte Linssen, seit drei Jahren Generalsekretär seiner Partei.
Daß diese Analyse einem vernichtenden Urteil über seine eigene Arbeit gleichkommt - als Generalsekretär war er verantwortlich für den stark ideologisierten Landtagswahlkampf unter dem Motto: „Der Sozialismus geht, wir kommen“ -, wollte der Generalsekretär aber nicht gelten lassen.
Ohne diesen Wahlkampf wäre es seiner Ansicht nach noch viel schlimmer gekommen, weil es zunächst darum gegangen sei, die desolate Partei und die demoralisierte eigene Anhängerschaft zum Laufen zu bringen. Das sei immerhin gelungen. Jetzt gehe es um den zweiten Schritt, um die Öffnung der Partei - und das sei „keine Kurzstrecke, sondern ein Marathonlauf“. Mit welchen neuen Inhalten die christdemokratische Partei an den Start gehen wird, soll in den nächsten Wochen erarbeitet werden.
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