Keine Mehrfachurteile für Totalverweigerer

Eine Frankfurter Richterin erkannte sogar die Beweggründe zur Verweigerung des Zivildienstes an / Doppelte und dreifache Bestrafung, wie bisher gehandhabt, seien rechtswidrig / Gutes Ende nach jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen  ■  Von Markmeyer/Platen

Dusiburg/Frankfurt (taz) - Gleich zweimal sind, gestern in Frankfurt und am Donnertag abend in Dusiburg, Totalverweigerer erfolgreich aus einem Prozeß hervorgegangen. Das Duisburger Landgericht wies die Berufung der Staatsanwaltschaft zurück und bestätigte ein vorangegangenes Urteil des Duisburger Amtsgerichts von 1988, wonach Andreas Speck für seine Verweigerung des Zivildienstes nicht doppelt bestraft werden kann.

Speck, der 1985 als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden war, brach im darauffolgenen Jahr seinen Zivildienst ab und wurde in zweiter Instanz zu acht Monaten Haft auf drei Jahre Bewährung verurteilt. Nachdem er auch einer zweiten Aufforderung, seinen Zivildienst anzutreten, nicht nachgekommen war, klagte ihn die Staatsanwaltschaft zum zweiten Mal an.

Das Amtsgericht Duisburg lehnte eine Doppelbestrafung ab, das Duisburger Landgericht verurteilte ihn im letzten Jahr jedoch zu acht weiteren Monaten Haft ohne Bewährung. Dieses Urteil wiederum hob das Oberlandesgericht in Düsseldorf aus formalen Gründen auf. Nun bestätigten die Duisburger Richter das Amtsgerichtsurteil von 1988.

Die Staatsanwaltschaft hatte Speck keine Gewissengründe zugebilligt und wird möglicherweise erneut Revision einlegen. Über 100 Leute waren zu dem Prozeß erschienen, 16 junge Männer verkündeten, auch sie würden „alle Kriegsdienste“ verweigern.

In Frankfurt gab es gar eine Freispruchsforderung der Staatsanwaltschaft. Die Richterin am Amtsgericht, Pfeifer, ging gestern noch einen Schritt weiter. Sie stellte das Verfahren gegen den Totalverweigerer Bernd Sahler auf Kosten der Staatskasse ein. Damit endet für Sahler, knapp vor dem Erreichen der Altersgrenze von 28 Jahren, eine sechsjährige Prozeßgeschichte. Er hatte 1984, nach elf Monaten Dienst, den Zivildienst verweigert und war bereits zweimal zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Eine davon saß er vier Monate lang ab. Auf Antrag des Bundesamtes für Zivildienst stand er jetzt zum dritten Mal vor Gericht.

Richterin Pfeifer begründete die Einstellung vor allem damit, daß der Angeklagte nach dem Grundgesetz nicht zum dritten Mal für dasselbe Delikt verurteilt werden könne. Sie erkannte auch die, wie Sahler betonte, „rationalen“ Beweggründe zur Verweigerung als an: „Das Gericht geht deshalb von einer einmal getroffenen, ernsthaften, fortwirkenden Gewissensentscheidung aus.“ Das Gewissen beginne nicht erst da, wo die Neurose anfange.

Sie setzte sich damit in Gegensatz zu Amtsgerichten in Köln und Tübingen, die die schriftliche Begründung Sahlers zur Totalverweigerung, in der er auch die Arbeitsbedingungen für Zivildienstleistende kritisiert hatte, als nicht ausreichend werteten. Der Angeklagte habe auch dadurch, daß er die Beschwernisse der Prozesse und die Gefängnisstrafe auf sich genommen habe, bewiesen, daß er „sich viele Gedanken gemacht hat“.